“Always start with why” – also auch hier. Warum schreiben wir einen Artikel über den so trivial scheinenden Golden Circle von Simon Sinek und das offenkundige Versagen mittelständischer Unternehmen, diesen konsequent als Basis für eine sinnstiftende Ausrichtung ihrer Organisation zu nutzen?
Dem/Der aufmerksamen Leser:in wird natürlich direkt auffallen: Die Antwort ist bereits paraphrasiert in der Frage verborgen. Mittelständische Unternehmen sind Meister im Erschaffen von Werten. Präzision und Produktzentrierung sind fest in ihre DNA eingebrannt. Was ihnen häufig fehlt, ist eine kraftvolle, unabhängige und verständliche Vision, welche abseits von normierten DIN-Spezifika und Materialanmutungen einen eindeutigen Fixstern für unternehmerische Anstrengungen bietet.
Viel zu oft treten starre und visionslose Objekte an die Stelle wo es eigentlich ein starkes und ambitioniertes Why bräuchte. Auch eine reine Fixierung auf Revenue Streams kann dieses Why nicht liefern. Doch wie schaffen es mittelständische Unternehmen den Golden Circle stärker in das Zentrum ihrer Vision zu rücken? Hierzu ein paar Gedanken:
1. Das “Why” kommt nicht aus dem Unternehmen – es entsteht bei den Kund:innen.
Wir kennen das Bild: Über das Wochenende trifft sich die Führungsriege in einem etwas abgelegen Hotel und bespricht die Strategie der nächsten Jahre. Zwischen Vorträgen, Meetings und Essen wird am fünften Tagesordnungspunkt das “Warum des Unternehmens” diskutiert. Es fallen Aussagen wie “Wir bauen die besten Maschinen” oder “Wir haben die besten Prozesse” – wenn es “fancy” klingen soll, wird ins Englische übersetzt. Doch taucht in diesem Konstrukt seltenst die Perspektive der Kund:innen auf. Doch ist diese nicht genau notwendig, um ein “Warum” zu definieren? Warum nutzen Kund:innen die Produkte? Was ist der konkrete Wert, den das Unternehmen stiftet?
Lasst uns eins festhalten: Das “Warum” ist nicht die Meinung über das eigene Wertversprechen, sondern die Wahrnehmung der Kund:innen dessen. Und ja, diese Wahrnehmung kann man beeinflussen, aber dazu muss man die Wahrnehmung der Kund:innen nachempfinden können.
2. Das “Why” ist die DNA des Unternehmens – nicht der Produkte.
Warum kaufen wir mittlerweile Uhren von einem Handyhersteller?
Richtig, die Rede ist von Apple. Die Apple Watch hat sich in den letzten Jahren großer Beliebtheit erfreut, sodass es sich heute fast “normal” anfühlt Uhren von Technologiekonzernen zu tragen. Doch lasst uns 10 Jahre zurückspulen: “Uhren sind Handwerkskunst”, “Uhren sind mechanische Meisterwerke” war dort viel eher das Narrativ, als dass Uhren Konnektivität und technologischen Fortschritt vereinen sollten.
Also tragen wir heute Apple Watches, weil die Uhren Handwerkskunst sind? Wohl eher nicht. Vielmehr sind sie Ausdruck technologischen Fortschritts und der Haltung, die mit allen Apple Produkten assoziiert wird: “Challenging the Status Quo”.
Apple hat es in den letzten Jahren geschafft die eigenen Produkte derart emotional aufzuladen, dass der Kauf beinahe der Widerspiegelung einer Geisteshaltung gleicht.
Worauf wollen wir hinaus: Apple hätte nicht angefangen über Uhren nachzudenken, wenn ihr “Why” an die traditionellen Kernprodukte (Computer & Mobiltelefone) geknüpft wären. Was das für den Mittelstand bedeutet? Oftmals lohnt sich der Blick über den Tellerrand.
3. Die Suche nach dem “Why” wird zum Ausdruck der Ratlosigkeit.
Jetzt mal ehrlich: Wer hat Lust auf lange Projektphasen, in denen es nur darum geht am Ende diesen einen Satz zu definieren, der in Zukunft die Tätigkeiten eines Unternehmens darstellen soll? (Und dabei meist auswechselbar ist und 1:1 wie die der Wettbewerber klingt.) Dies geschieht am besten noch in agilen Prozessen mit interdisziplinären Teams, um sämtliche “New Work” Klischees zu bedienen. “Man mache jetzt diese Innovation” heißt es dann.
Wir können noch so viele Managementbücher und Vorträge konsumieren, die einem helfen sollen, den “Purpose” oder das “Why” eines Unternehmens zu verstehen. Aber bleibt nicht am Ende immer wieder eine gewisse Ratlosigkeit, die in viel zu aufwändigen Meetingstrukturen verdeckt werden?
Fakt ist doch: Das “Why” sollte eben kein gekünsteltes Konstrukt sein, dass sich irgendwo “ausgedacht” wird. Und es sollte auch kein obligatorischer Tagesordnungspunkt sein. Es ist vielmehr das Ergebnis der permanenten Reflektion kundenzentrierter Organisationen.
Was lässt sich also festhalten: Ein starkes Why benötigt ein breites, aktiv gepflegtes Ökosystem, um Input und Feedback von außen zu in die eigene Organisation zu tragen. Davon abgeleitet ist es nur konsequent den Blick nach außen zu wagen – auch abseits eigener Zielmärkte. Zu guter Letzt ist ein starkes Why vor allem eins: Das gemeinsame Bild, welches jede:r Mitarbeiter:in vor Augen hat, wenn man ihn/sie fragt, was sich hinter dem Horizont des eigenen Unternehmensalltags verbirgt.
So just start with why.