Organisationsmodelle neu denken: Weg von der Hierarchie, hin zu New Work
Die einen planen, die anderen entscheiden, wieder andere setzen es um – in vielen Unternehmen ist diese strikte Trennung von Arbeitsabläufen nach wie vor fest verankert. Der Aufbau des hierarchischen Organisationsmodells gleicht dabei einer Pyramide: Alle Mitarbeiter:innen befinden sich auf einer bestimmten Ebene mit klaren Aufgaben und Kompetenzen – die sie nicht überschreiten dürfen. Je höher die Position, desto größer ist auch die Verantwortung und der Einfluss. Über lange Zeit galt dieses Organisationsmodell als alternativlos.
Doch schon länger stößt es an seine Grenzen. Pausenlos entstehen neue Technologien, Kund:innen verändern stetig ihre Ansprüche und Unternehmen müssen immer schneller reagieren. Kurz gefasst: Das Marktumfeld ist komplexer als je zuvor. Dass starre Hierarchien mit diesem schnellen Wandel nicht mithalten können, haben vor allem junge Startups erkannt. Schon seit einiger Zeit setzen sie daher auf
fortschrittliche Organisationsmodelle. Das Stichwort: Agilität. Dabei gibt es verschiedene Ansätze, allerdings haben sie eines gemeinsam: Sie erlauben es, sich flexibel und in kürzester Zeit an die neuen Spielregeln anzupassen.
Welche Organisationsmodelle gibt es?
Produkt, Vertrieb oder Marketing – es sind die zentralen Themen für junge Startups, die ihr Geschäftsmodell erfolgreich auf den Markt bringen möchten. Doch spätestens in der wachsenden Phase reicht dies allein nicht mehr aus: Um immer größere Ziele zu erreichen, müssen Startups auch eine formelle Struktur aufbauen. Die folgenden Systeme zählen dabei zu den wichtigsten Organisationsmodellen:
Einlinienorganisation
Das Einliniensystem ist ein streng hierarchisches Organisationsmodell, in dem Entscheidungen und Informationen von oben nach unten fließen. Dabei hat jede:r Beschäftigte genau eine übergeordnete Führungskraft, die bestimmte Anweisungen nach unten weitergibt. Ob bei Zielsetzungen, Urlaubsanträgen oder Gehaltsverhandlungen – das Überspringen einer Hierarchieebene ist nicht möglich. In der Praxis findet man das Einliniensystem vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen oder in der öffentlichen Verwaltung.
Vor- und Nachteile der Einlinienorganisation
Der Vorteil dieses Organisationsmodells ist seine eindeutige Struktur: Es entstehen klare Kommunikationswege, wodurch Kompetenzüberschneidungen vermieden werden können. Dazu haben die jeweiligen Führungskräfte eine gute Möglichkeit der Kontrolle, da die Aufgaben der Mitarbeiter:innen klar definiert sind. Doch die langen Dienstwege kosten Zeit: Bei komplexen Fragen können einzelne Führungskräfte überfordert sein. Da jede Entscheidung von ihnen bestätigt werden muss, können diese Prozesse auch sehr lange dauern. Bei neuen Herausforderungen ist dieses System daher oft nicht flexibel genug.
Mehrlinienorganisation
Auch das Mehrliniensystem ist eine hierarchische Struktur – mit einem zentralen Unterschied zum Einliniensystem: Die Mitarbeiter:innen oder Abteilungen haben mehrere übergeordnete Vorgesetzte, von denen sie Anweisungen erhalten können. Dies wird auch als Mehrfachunterstellung bezeichnet. Ein Beispiel: Urlaubs- oder Gehaltsfragen klären Beschäftigte mit ihren direkten Vorgesetzten, inhaltliche Anweisungen können sie aber von einer anderen Stelle erhalten. Zu den bekannten Varianten dieses Modells gehört die Matrixorganisation, die oft von großen Unternehmen genutzt wird.
Vor- und Nachteile der Mehrlinienorganisation
Ein großer Vorteil des Organisationsmodells: Da Beschäftigte mehrere übergeordnete Stellen haben, werden Führungskräfte entlastet. Gleichzeitig verkürzen sich dadurch auch die Kommunikationswege. Dazu können sich Vorgesetzte auf einen bestimmten Bereich spezialisieren, wodurch eine bessere Problemlösung möglich wird. Der Nachteil dabei ist jedoch, dass es zu Kompetenzüberschneidungen kommen kann, da sich mehrere Vorgesetzte für die gleiche Aufgabe zuständig fühlen. Dies birgt die Gefahr von Missverständnissen, da Mitarbeiter:innen verschiedene Anweisungen bekommen können.
Projektorganisation
Im Gegensatz zu Liniensystemen handelt es sich bei der Projektorganisation um ein zeitlich befristetes Organisationsmodell. Das heißt: Sie wird für eine bestimmte Dauer neben der Primärorganisation – z.B. einem Einliniensystem – eingerichtet und begleitet ein einmaliges Vorhaben. Projekte zeichnen sich zudem durch ein klar definiertes Ziel sowie einen finanziellen und personellen Rahmen aus. Bei einer reinen Projektorganisation werden Mitarbeiter:innen komplett aus ihrer Primärorganisation herausgelöst. Sie erhalten daher sowohl inhaltliche als auch disziplinarische Anweisungen von der Projektleitung. Bei einer Matrix- oder Stabs-Projektorganisation sind Beschäftigte auch weiter an ihr primäres Organisationsmodell gebunden.
Vor- und Nachteile der Projektorganisation
Der Vorteil einer reinen Projektorganisation ist die eindeutige Zuweisung von Aufgaben und Verantwortungen. Zudem kann die Motivation der Mitarbeiter:innen gefördert werden, da sie sich stark mit dem Projekt identifizieren können. Nach Abschluss des Projekts kann es jedoch zu Problemen kommen, sie wieder in ihre Primärorganisation einzugliedern. Bei einer Matrix-Projektorganisation wird diesen Konflikten vorgebeugt, weil Beschäftigte in ihren Abteilungen verbleiben. Da sie hierbei mehreren Vorgesetzten unterstellt sind, wird ein schneller Wissensaustausch zwischen Projekt- und Stammorganisation möglich. Der Nachteil dabei ist jedoch, dass Mitarbeiter:innen überlastet werden können und sie dadurch bestimmte Aufgaben vernachlässigen.
Agile Organisation
Im Gegensatz zu klassischen Systemen verfügen agile Organisationsmodelle über kein starres Gerüst, sondern passen sich stetig an veränderte Bedingungen an. Sie sind daher nicht hierarchisch, sondern kreisförmig und vernetzt aufgebaut: Aufgaben werden nicht von oben delegiert, sondern selbstständig in Teams verteilt. Diese Teams agieren autonom und verwalten sich somit selbst. Die Teammitglieder übernehmen bestimmte Funktionen und die leitende Rolle wird zeitweise von verschiedenen Mitarbeiter:innen übernommen. Führungskräfte sind daher Teil eines Netzwerks und geben nur Impulse statt Anweisungen. Zu den bekannten Methoden agiler Organisationsmodelle gehören Scrum oder Design Thinking.
Vor- und Nachteile der agilen Organisation
Der Vorteil dieses Systems liegt auf der Hand: Eine agile Organisation ist in der Lage, Bedürfnisse schnell zu erkennen und flexibel auf Veränderungen zu reagieren. Startups können somit ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und Risiken besser kontrollieren. Oft steigert die offene Kultur auch die Motivation der Mitarbeiter:innen, da sie mehr Mitspracherecht haben. Gleichzeitig kann dies aber auch den Druck auf die Beschäftigten erhöhen, weil sie dadurch eine größere Verantwortung tragen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, die Ziele immer wieder klar und deutlich an alle Mitarbeiter:innen zu vermitteln.
Neue Organisationsmodelle in der Praxis: 2 erfolgreiche Beispiele
Spotify
Der schwedische Musik-Streamingdienst Spotify hat ein Organisationsmodell entwickelt, welches nach ihm benannt wurde und mittlerweile als Vorbild für zahlreiche Unternehmen gilt. Das Spotify-Modell besteht aus vier Einheiten: Squads, Tribes, Chapter und Guilds. Die Basis bilden Squads – autonome Teams mit etwa zehn Personen. Sie haben ein bestimmtes Ziel und müssen dieses in Eigenverantwortung erreichen. Als Tribe wird ein Zusammenschluss mehrerer Squads bezeichnet.
Unter der Koordination eines Tribe Leads arbeiten die Teams dabei gemeinsam an einem Produkt oder einer Leistung. Innerhalb der Tribes werden Mitglieder mit den gleichen Kompetenzen – z.B. alle Designer:innen – in Chapter eingeteilt. Sie tauschen sich regelmäßig über erlangtes Wissen und Erfahrungen aus. Auch in Guilds treffen sich Mitarbeiter:innen mit gleichen Interessen, allerdings beschränken sie sich nicht nur auf einen Tribe und erfolgen auf freiwilliger Basis.
Die Stärke des Organisationsmodells: Einerseits arbeiten Beschäftigte mit unterschiedlichem Fachwissen in Squads zusammen, andererseits tauschen sich Beschäftigte mit gleichen Fähigkeiten in Chaptern und Guilds aus.
Netflix
Wenige Regeln, viel Urlaub und hohe Gehälter: Der Streamingdienst Netflix gilt bei Arbeitnehmer:innen als besonders beliebt – vor allem wegen seines agilen Organisationsmodells. Zwar gibt es hier noch (flache) Hierarchien, allerdings setzt das kalifornische Unternehmen dabei auf die maximale Eigenverantwortung seiner Beschäftigten. Das heißt: Mitarbeiter:innen dürfen beispielsweise selbst entscheiden, wie lange sie arbeiten und wie viel Urlaub sie sich nehmen. Jedes Team hat eigene Ziele und alle Teammitglieder tragen eine hohe Verantwortung.
Dazu stehen wichtige Führungskräfte bei Netflix im direkten Austausch mit dem CEO. So wurde die Hierarchie um mehrere Ebenen reduziert, wodurch das Unternehmen schnell auf Veränderungen reagieren kann. Ein wichtiges Prinzip von Netflix: Mitarbeiter:innen stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sollen voneinander lernen. Der Streamingdienst beansprucht daher für sich, nur die besten Personen für die jeweiligen Bereiche einzustellen und zu behalten.
Was ist das beste Organisationsmodell für Dein Startup?
Kurz und knapp: Das ideale Organisationsmodell gibt es nicht. Jede Struktur hat Vorteile und Schwachstellen, muss darüber hinaus aber auch immer zu den Zielen und Werten eines Unternehmens passen. Viele Unternehmen setzen daher mittlerweile auf hybride Organisationsmodelle – ein Mix aus klassischem System und agiler Struktur. Bei wachsenden Startups haben sich aber vor allem agile Organisationsmodelle durchgesetzt.
Denn: In der Regel bewegen sie sich in einem innovativen Marktumfeld, in dem sie mit flexiblen Reaktionen und schnellen Entscheidungen dem Wettbewerb standhalten müssen. Allerdings: Je größer ein Startup wird, desto wichtiger könnten auch übersichtlichere Strukturen werden. Im Laufe der Zeit müssen Startups ihr Organisationsmodell stetig hinterfragen – und bei Bedarf aktualisieren.
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