Richten wir den Blick in Puncto Klimawandel einmal auf unsere regionale Infrastruktur hier in Ostwestfalen-Lippe: Eine Region mit 2 Millionen Einwohner:innen auf einer Fläche von 6.500 Quadratkilometern. Pro Quadratkilometer wohnen 315 Menschen. Zum Vergleich: Singapur hat auf gleichem Raum eine Bevölkerungsdichte von über 7.000 Personen.
Wir haben hier also das unschätzbare Glück von massig Natur umgeben zu sein. Die Auswirkungen des globalen Klimawandels nehmen wir dennoch, oder gerade deshalb, wahr. Aufgrund der immer stärkeren persönlichen Wahrnehmung rückt auch zunehmend der Wunsch nach einer gesamtgesellschaftlichen Ausrichtung in den Fokus der Menschen.
Nur ein Beispiel dafür war zuletzt das sehr positive mediale Echo zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Klimaschutzgesetz von 2019 in Teilen verfassungswidrig sei. Grund: Die ergriffenen Regelungen verschöben die Entlastung bei den Emissionen auf die Zeit nach 2030, die Pariser Klimaziele seien so nicht zu erreichen.
KONSEQUENTE TRANSFORMATION GEGEN DEN KLIMAWANDEL
Es scheint also langsam allen klar zu werden: Was es braucht, ist ein mit aller Konsequenz geführter Transformationsprozess. Um vom Ausmaß dieser Änderungen ein grobes Bild zu erlangen, lohnt sich ein Blick auf die aktuelle Situation: Vor dem Hintergrund der Pandemie wurden weltweit öffentliches Leben und volkswirtschaftliche Interaktion heruntergefahren. Dieser massive Eingriff in unsere wirtschaftlichen Aktivitäten hatte einen Rückgang von ca. 5 Prozent an Emissionen zur Folge.
Würden wir diese Reduktion jedes Jahr vollbringen, wären wir gut im Rennen. Aber leider können wir das nicht. Stellen wir nun diesen Rückgang in das Verhältnis zu den wahrgenommenen Veränderungen und auch Einschränkungen, fällt auf, dass das Ziel der netzero alles andere als einfach sein wird.
Konkreter formuliert: Wir werden in einem Maße transformieren müssen, wie wir es noch niemals erlebt haben.
EIN INNOVATIVES ÖKOSYSTEM
Schon immer ist OWL stark geprägt durch den Maschinenbau. Aber auch Textilien, Bauwirtschaft, Möbel und Lebensmittel spielen eine große Rolle. Hier ergeben sich unfassbar viele Möglichkeiten innovative Konzepte und Lösungen nach vorne zu treiben und somit einer nachhaltigeren Welt führend mitzugestalten. Mit Blick auf die Eingangs erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt sich zunehmend, dass auch der Anspruch auf klimaneutrale Produkte und Dienstleistungen steigt. Klimaschutz wird den Verbraucher:innen wichtiger.
Die Antwort mit passenden Angeboten muss für Unternehmen Motivation und Inspiration zugleich sein. Wer sich jetzt ausrichtet, ist für zukünftige Anforderungen gut aufgestellt. Hier kommt der Kooperation in wirtschaftlichen Ökosystemen ein großer Stellenwert zu. Befördert durch eine offene Innovationskultur und der breiten Förderung von grünen Startups können neue Ideen pragmatisch und zielgerichtet nach vorne getrieben werden.
STARTUPS ALS SCHLÜSSEL
Startups kommt eine Doppelrolle zu. Zum einen müssen sie die innovative Keimzelle des Fortschritts sein. Sie müssen Technologien und neue Geschäftsmodelle mit hoher Geschwindigkeit erschaffen, komplexe Zusammenhänge durchdringen und offen für agile Anpassungen sein. Zum anderen sind sie selbst gefordert ein nachhaltig handelndes Unternehmen zu werden. Dies beginnt bei einer vegetarischen Kantine und endet bei Implementierung von circular economy und der kompletten Dekarbonisierung ihrer Wertschöpfungsketten. Die netzero gilt für sie also im besonderen Maße.
ES BRAUCHT VERSTÄNDNIS UND AKTIVES HANDELN
Angesichts der großen Zahlen, der drängenden Zeit und der immensen Fortschritte, die wir auf so vielen Gebieten machen müssen, ist es nicht so einfach, hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Eine tolle Inspiration diese Sichtweise zu ändern, liefert der verstorbene Professor für internationale Gesundheit, Hans Rosling, in seinem lesenswerten Buch factfulness:
„Wenn wir über eine faktengestützte Weltsicht verfügen, können wir sehen, dass die Welt nicht so schlecht ist, wie sie erscheint – und wir können erkennen, was wir tun müssen, um sie besser zu machen.“
Was es braucht ist also eine faktengestützte Weltsicht auf den Klimawandel. Alte KPIs, wie das BIP als Wohlstandsindikator, sind massiv zu hinterfragen. Es braucht ein tiefes, datenbasiertes Verständnis der komplexen Vorgänge auf diesem Planeten. Haben wir dies, können wir vorhandene und neue Lösungen und Innovationen gezielt einsetzen. Und das sollten alle Startups als Einladung zum Handeln verstehen.
ÜBER DEN AUTOR
Sebastian Fischer ist Climate Officer der Founders Foundation. Mit Faszination für große Visionen und einem Gespür für die notwendigen Schritte im Bereich des Klimawandels bringt er die Themen #sustainabilty und #innovation nach vorne, achtet auf die Einhaltung unserer internen Klimaziele und berät Gründer:innen zu nachhaltigen Maßnahmen. Sein Beratungshintergrund verschafft ihm dafür die nötigen Management- und Tool-Skills.