In Deutschland werden immer mehr KI-Startups gegründet, gleichzeitig wandern 10 Prozent der Deep Tech Startups ins Ausland ab. Welche deutschen Ausnahmegrößen dieses Jahr Millionen-Finanzierungen eingesammelt haben und warum Deutschland auf dem richtigen Weg ist, für Deep Tech Startups attraktiv zu bleiben, erfährst Du hier.
Gute Nachrichten: 67 Prozent mehr KI-Gründungen in Deutschland als im Vorjahr
Laut einer Studie von appliedAI sind in diesem Jahr insgesamt 508 KI-Startups in Deutschland gelistet, 67 Prozent mehr als im Vorjahr. Von Climate Tech über Generative KI bis hin zu Robotik ist in jedem Bereich etwas dabei.
Laut ihrem Bericht „German AI Startup Landscape 2023“ sind vor allem im Bereich Gesundheit, Manufacturing und Mobility Neugründungen zu beobachten. Fast alle gezählten KI-Startups sind B2B-Startups. Das ist nicht verwunderlich, denn Deep Tech Produkte haben oft Potenzial für Sprunginnovationen, die in mehreren Industrien gleichzeitig bahnbrechenden Einfluss haben.
Deutsche Top Deep Tech 2023 vor allem in den Bereichen Green Tech und Künstliche Intelligenz
- Solar-Gigant Enpal aus Berlin Das Solar-Startup Enpal hat kürzlich eine beeindruckende Finanzierungsrunde abgeschlossen und insgesamt 430 Millionen Euro von bestehenden und neuen Investoren gesammelt.Das GreenTech hat sich auf die Vermietung von Solaranlagen und Wärmepumpen spezialisiert und übernimmt den kompletten Betrieb und die Wartung während der Mietzeit. Namhafte Investoren wie Softbank, ING Germany, Blackrock und DWS haben sich an der Finanzierung beteiligt. Mit einer aktuellen Bewertung von beachtlichen 2,25 Milliarden Euro gehört Enpal klar zu den deutschen Einhörnern. Das Startup plant, das neue Kapital für Lösungen zu erneuerbaren Energien einzusetzen, darunter Solarsysteme und Ladestationen für Elektrofahrzeuge.
- KI-Software DeepL aus Köln Das Übersetzer-Startup DeepL hat in einer Finanzierungsrunde über 100 Millionen Euro von Investoren eingesammelt, den genauen Betrag wollen sie jedoch nicht nennen. Mit einer Bewertung von einer Milliarde Euro erreicht DeepL Einhorn-Status in der deutschen Deep Tech Szene. An der Runde beteiligten sich internationale Investoren wie IVP, Bessemer Venture Partners, Atomico und WiL. Mit DeepL können Firmen und private Kund:innen Text mittels künstlicher Intelligenz in alle möglichen Sprachen übersetzen und korrigieren.
- KI-Sprachmodell-Startup Aleph Alpha aus Heidelberg Das Heidelberger KI-Startup Aleph Alpha steht vor einer bemerkenswerten Finanzierungsrunde, an der sowohl der Softwaregigant SAP als auch die Chiphersteller Intel und Nvidia beteiligt sein sollen. Das US-Unternehmen Intel soll dabei der größte Investor sein.Noch ist die Finanzierung nicht abgeschlossen, aber Aleph Alpha plant, mehr als 100 Millionen Euro von deutschen Bestandsinvestoren und neuen Geldgebern einzusammeln, darunter Earlybird und 468 Capital. Mit dieser finanziellen Unterstützung könnte die Bewertung von Aleph Alpha auf beachtliche 450 Millionen Euro steigen. Das Unternehmen ist bekannt für seinen fortschrittlichen Sprachassistenten „Luminous“, der ähnlich wie ChatGPT Texte schreiben, verstehen und auswerten kann.
- Hamburger CleanTech 1komma5° wird Unicorn Das Hamburger Cleantech-Startup 1komma5° hat in einer beeindruckenden Series B-Finanzierungsrunde insgesamt 430 Millionen Euro eingesammelt und damit den Status eines Einhorns erreicht – mit einer Bewertung von über einer Milliarde Euro. Die Hauptinvestition stammt vom US-amerikanischen VC-Fonds G2VP. Mit dem frischen Kapital will 1komma5° das Geschäft in weitere Länder expandieren und sein Energiemanagement-System “Heartbeat” ausbauen. Die Software macht es möglich, verschiedene GreenTech-Hardware wie Solaranlagen oder Wärmepumpen miteinander zu verbinden.
Zehn Prozent der deutschen KI-Startups wandern ins Ausland ab
15 Prozent der deutschen Startups im KI-Bereich sind 2023 im Vergleich zum Vorjahr aus dem Startup-Rennen ausgeschieden. Das hat verschiedene Gründe. 28 Prozent werden laut „German AI Startup Landscape“ aufgrund einer Übernahme nicht mehr gezählt, 24 Prozent sind älter als zehn Jahre und werden nicht mehr als Startup gelistet.
Zehn Prozent fallen aus der deutschen Startup-Zählung heraus, weil sie mit dem Vertrieb oder Standort in ein anderes Land wechseln – raus aus Deutschland.
Warum Startups Deutschland und Europa verlassen
Europaweit fehlt es am nötigen Wagniskapital
Laut einer Bitkom-Umfrage denkt ein Drittel der befragten Startups darüber nach, ins Ausland zu gehen. Der Grund: In Deutschland gibt es aktuell zu wenig Wagniskapital. Und ein Börsengang in Deutschland? Für die Mehrheit der Startups ist das laut Bitkom keine Option.
Trotz vielversprechender Neugründungen gehen die Investitionen in Europa zurück, während sie in den USA im Bereich KI steigen. Im ersten Halbjahr 2023 wurden in den USA 30,8 Milliarden Dollar für KI-Technologie ausgegeben, in der EU nur 3,7 Milliarden Dollar.
„Die Herausforderung, die wir in der EU haben, ist Kapital. Es ist die treibende Kraft für Innovation. Wir müssen bei dem, was wir tun, ein paar Nullen hinzufügen, um mit der globalen Welt mithalten zu können”, so David Rosskamp, Managing Partner von Magnetic über fehlendes Kapital in der EU.
Die mangelnde Risikobereitschaft deutscher Investor:innen bremst auch den Fortschritt von Deep Tech in Deutschland. Da viele Deep Tech Unternehmen forschungsintensiv sind und einen Paradigmenwechsel in der Industrie bewirken wollen, brauchen sie mehr Zeit, um getestet, geprüft und marktreif zu werden. Dazu ist bei manchen Geldgeber:innen die Geduld und die Risikofreude zu knapp: Sie wollen Skalierbarkeit und schnelle Profitabilität.
Geldbeger:innen investieren also insgesamt weniger, aber die gute Nachricht ist: Wenn investiert wird, dann am ehesten in Deep Tech Produkte. Sie müssen allerdings einen klaren Weg der Profitabilität aufweisen.
“Der Druck, profitabel zu sein, war noch nie höher in unserer Industrie“, sagt Robert Lacher, Founding Partner bei Visionaries Club zum aktuellen Status Quo auf der diesjährigen Hinterland of Things Conference in Bielefeld.
Neues EU-Gesetz könnte Abwanderung ins Ausland befeuern
Weitere Bremse für Deep Tech in Europa: Mitte Juni dieses Jahres hat die EU-Kommission beschlossen, ein Gesetz zur künstlichen Intelligenz zu verabschieden. Der sogenannte Artificial Intelligence Act (AIA) der EU-Kommission ist Teil einer Digitalstrategie für künstliche Intelligenz.
Das Gesetz soll vertrauenswürdige KI-Unternehmen fördern und schädliche Anwendungsfälle kontrollieren. Nun werden Bedenken laut, dass die EU-Regulierung zum Nachteil für Open-Source-Entwicklungen werden könnte und den KI-Fortschritt bremst.
16 Prozent der befragten Startups geben laut AppliedAI an, dass sie KI-Projekte gar nicht mehr oder nur außerhalb der EU entwickeln werden. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Wettbewerbsfähigkeit Europas im Deep Tech Sektor leiden könnte.
Deutschland kann attraktiv für Deep Tech bleiben, wenn die richtigen Grundsteine gesetzt werden
DeepTech & Climate Tech Fonds: Regierung ermöglicht 1 Milliarde Euro Kapital
Anfang dieses Jahres hat die Bundesregierung den Deep Tech & Climate Tech Fonds (DTCF) aktiviert. Das Gesamtvolumen in den nächsten Jahren beträgt bis zu einer Milliarde Euro. Startups aus den Bereichen IoT, Künstliche Intelligenz, Robotik, Smart Living und Clean- und Climate-Tech können Finanzierung zwischen einer Million und 30 Millionen Europ pro Runde bekommen. Bisher hat der DTCF bereits in zwei Startups investiert: das 3D-Druck-Startup Xolo und das Bau-Startup Vemcom. Ein gutes Zeichen in die richtige Richtung.
Deep Tech ist immer noch ein beliebter Sektor bei Investor:innen
Deep Tech Unternehmen haben spezielle Herausforderungen und brauchen spezielle finanzielle Förderung. Deutsche Wagniskapitalgeber:innen, die sich dem Markt annehmen und auf Forschung und Innovationskraft setzen, werden möglicherweise in der Zukunft vom KI-Fortschritt profitieren.
Hier könnte der Businessplan den entscheidenden Unterschied machen: Startups, die einen Plan zur Profitabilität und Skalierbarkeit vorweisen können, werden vermutlich umso bessere Chancen haben, in Deutschland Finanzierung zu bekommen und sich neben Enpal, DeepL und Co. einzureihen.
Trotzdem sollten gerade bei großen Investitionssummen deutsche und europäische Investor:innen mutiger werden. Insbesondere späte Finanzierungsrunden mit Investitionen von etwa 50 bis 100 Millionen Euro sind in Deutschland deutlich schwieriger zu bekommen als noch 2021. Das muss sich ändern, wenn Deutschland auf dem internationalen Markt mithalten will und erfolgreiche Startups halten möchte.
Wenn sich zusätzlich die deutsche Regierung und die Europäische Union um ideale Bedingungen für die DeepTech Szene bemühen, indem sie finanzielle und infrastrukturelle Förderung bereitstellen, stehen die Chancen gut, dass der Standort Deutschland für deutsche Neugründungen attraktiv bleibt.
KI made in Germany hat Zukunftspotenzial
Lösung im Deep Tech Bereich in die Startup Welt einzutauchen.