Virtual Reality (VR) ist erst in den letzten paar Jahren durch die rasante technologische Entwicklung groß geworden. Die Idee, optisch in andere, dreidimensionale Welten einzutauchen, ist aber nicht neu. Bereits im 19. Jahrhundert gab es erste Vorläufer. Begebt Euch mit uns auf eine Reise in die Frühzeit der VR!
Stereoskopie – Virtual Reality Einsteiger
Einer der wichtigsten Aspekte der virtuellen Realität ist der Eindruck von Räumlichkeit. Diese Illusion lässt sich schon mit einfachen zweidimensionalen Bildern erzeugen, die dem linken und rechten Auge jeweils einen etwas anderen Blickwinkel liefern. Dadurch entsteht eine Art 3D-Effekt. 1838 veröffentlichte der englische Physiker Charles Wheatstone einen Apparat namens Stereoskop, der zur Betrachtung solcher Bilder diente. Das waren damals noch Zeichnungen. Die Fotografie stand zu der Zeit ganz am Anfang, doch bereits 1849 stellte der Schotte David Brewster eine Zweiobjektivkamera vor, die stereoskopische Aufnahmen machen konnte. In der einen oder anderen Form findet die Stereoskopie bis heute Anwendung.
Pygmalion’s Spectacles
Schriftsteller:innen sehen häufig technologische Entwicklungen voraus, lange, bevor sie tatsächlich erfunden werden. Auch für Virtual Reality gibt es ein solches Beispiel. In seiner Kurzgeschichte „Pygmalion’s Spectacles“ aus dem Jahr 1935 schreibt der amerikanische Autor Stanley G. Weinbaum eine Brille, die folgendes Erlebnis ermöglicht: „…einen Film, der einem Bilder und Klänge beschert, […], Geschmack, Geruch und Tastempfindungen. […]. Du ist drin in der Geschichte, du sprichst zu den Schatten (Charakteren),und sie antworten, anstatt auf einer Leinwand findet die Geschichte überall um dich herum statt, und du bist mittendrin.“
Sensorama
Sensorama war keine VR-Brille, sondern eine ganze VR-Maschine. Seitdem in den 1950er Jahren das Fernsehen immer populärer wurde, sagten Pessimist:innen immer wieder den Untergang des klassischen Filmtheaters voraus. Der VR-Pionier Morton Heilig glaubte mit seiner Erfindung Sensorama eine neue Ära des Kinos einläuten zu können. 1962 ließ er sich eine Maschine patentieren, die den Betrachter:innen umfassende Sinneseindrücke vermittelte. Mit Sensorama ließ sich nicht nur ein 3D-Film über eine Motorradfahrt anschauen, gleichzeitig ruckelte auch der Sitz, wehte ein künstlicher Wind und roch es nach Straße. Aus Kostengründen konnte sich die Erfindung aber nie durchsetzen.
Das Damoklesschwert
Wem moderne VR-Brillen schon zu klobig sind, der hätte an dem allerersten Headset für das, was wir heute als Virtual und Augmented Reality kennen, keine Freude gehabt. Tatsächlich war dieses Teil so schwer, dass es von der Decke hängen musste, um den Träger:innen nicht zu sehr zu belasten. Daher auch der Name „The Sword of Damocles“ für die Erfindung aus dem Jahr 1968. In der griechischen Sagenwelt dient das Damoklesschwert als Metapher für eine latente Gefahr, und die haben die Macher um den amerikanischen Computerpionier Ivan Sutherland in der neuen Technologie durchaus gesehen.
Aspen Movie Map
Ende 1978, Anfang 1979 fuhren Autos mit seltsamen Kameras auf dem Dach durch Aspen, Colorado. Ihr Auftrag: Alle Straßen aufnehmen für einen interaktiven Film über die Stadt. Diese Aktion erinnert natürlich an Google Street View, ging aber schon damals einen Schritt weiter. Betrachter:innen konnten nämlich in bewegten Bildern Aspen erkunden und die Route nach Belieben wählen. Zu ausgewählten Gebäuden und Plätzen gab es zudem zusätzliche Informationen in Bild, Ton und Text. Die Movie Map war somit ein frühes Beispiel für Hypermedialität, also die Verknüpfung mehrerer Mediengattungen. Für den virtuellen Touch sorgte zudem ein animiertes 3D-Modell der Stadt.
The Judas Mandala
Die bisher aufgeführten und noch einige andere Beispiele enthalten zwar alle mehr oder weniger Elemente von Virtual Reality, wurden aber zur ihrer Zeit nicht so benannt. Kein Wunder, schließlich gab es den Begriff damals noch gar nicht. Als Erfinder dieser Wortkombination nennen die meisten Quellen den australischen Science Fiction-Autoren Damien Broderick. In seinem 1982 erschienenen Zeitreiseroman „The Judas Mandala“ benutzt er die Formulierungen „virtual reality“ und „virtual matrix“. Das wird sicher nicht nur Hollywood inspiriert haben, auch im Oxford English Dictionary erhielt zumindest der erste der beiden Begriffe 1987 seinen Platz.