Eine Million Nutzer:innen in fünf Tagen: Der rasante Aufstieg von Large Language Models wie ChatGPT hat der breiten Öffentlichkeit zuletzt klar gemacht, welches riesige Potenzial Künstliche Intelligenz (KI) bereits heute entfaltet. Doch schon lange ist KI nicht mehr nur bloße Spielerei, sondern ein entscheidender Wettbewerbsfaktor: „Die deutsche Wirtschaft wird nur halb so langsam wachsen, wenn wir KI nicht einsetzen“, erklärte Tech-Investor Philipp Klöckner.
KI sollte somit als langfristiges Transformations- und Chancenthema betrachtet werden: „Deutsche Unternehmen denken häufig, Digitalisierung ist ein Projekt, aber Digitalisierung ist ein aufwändiger Prozess”, fasste Peter Grosskopf, CEO des Krypto-Startups Unstoppable Finance zusammen. Dabei geht es längst nicht mehr um Grundlagen, sondern um die effektive Nutzung von KI-Anwendungen. So rechnet die Unternehmensberatung PwC bis 2030 mit einem Weltwirtschaftswachstum von 14 Prozent – allein durch KI.
Wie ist Deutschland derzeit beim Thema KI aufgestellt? Eine Bitkom-Studie zeigt: Nur 9 Prozent der deutschen Unternehmen setzen KI aktuell ein, obwohl die Mehrheit von ihnen in der Technologie eine Chance sieht. „Vielen ist noch nicht klar, dass wir gerade in einer Revolution sind“, verdeutlichte Vanessa Cann, Geschäftsführerin des KI Bundesverbands. Ihre Mission: Europa als erfolgreichen Tech-Standort etablieren. Doch dafür müsse Deutschland „mutiger und größer denken”, machte sie klar.
Welche konkreten Use-Cases gibt es aktuell im Bereich KI?
Auch in der Baubranche kommt KI bereits zum Einsatz. Jan-Hendrick Goldbeck, Chef des gleichnamigen Bauunternehmens, beschrieb die Vorteile: „Mithilfe digitaler Zwillinge von Objekten können wir unsere Prozesse effizienter und wirtschaftlicher gestalten”. Denn: Immobilien haben einen langen Lebenszyklus und generieren eine riesige Menge an Daten. Diese Daten nutze Goldbeck, um die Kernwünsche seiner Kund:innen zu identifizieren und ihnen bessere Lösungen anzubieten. Ein weiteres Beispiel: Die Finanzwelt. Bei der Deutschen Bank habe KI Kundenberatungen grundlegend verändert, berichtete Technologie-Chef Bernd Leukert. Vor allem im Bereich Wealth Management – also der Vermögensplanung – sei KI mittlerweile ein ständiger Begleiter.
Zukünftige KI-Trends: „Generative AI wird jeden Aspekt der Wirtschaft betreffen”
Generative AI wird bald jeden Aspekt unseres Unternehmens, der Finanzindustrie und der gesamten deutschen Wirtschaft betreffen.
Bernd Leukert, Deutsche Bank
Große Potenziale für Europa im Bereich Generative AI
Auch die Grenzen von ChatGPT bei europäischen Sprachen seien laut Cann eine Chance für europäische Akteure auf dem Gebiet Generative AI. In Deutschland herrscht jedoch aktuell noch Zurückhaltung: Nur jedes sechste Unternehmen plant, KI zur Textgenerierung einzusetzen. Zu diesen Pionieren zählt auch das Bauunternehmen von Jan-Hendrick Goldbeck. „Die Zukunft der Bauplanung heißt Prompting“, ist er sich sicher. Das Prinzip: Kund:innen schildern einem System ihre Wünsche, das System ermittelt passende Modelle und die Bauplanung wird in einem „iterativen Dialog” realisiert.
Hilfreich ist hierbei auch der einfache Zugang zu KI-Technologie: Offene Schnittstellen bieten Startups die Chance, ihre Dienste auf der Basis bestehender Systeme zu entwickeln. Genau dies bezeichnete André Christ, Gründer des Startups LeanIX, als seinen „persönlichen i-phone Moment.” Dass „Generative AI nicht mehr nur den großen Hyperscalers vorbehalten” sei, eröffne Gründern wie ihm komplett neue Türen.
Deep Tech als Game Changer: Quantentechnologie wird „alles übertreffen”
Klar ist: Das Rennen um die Vorherrschaft der digitalen Plattformen tragen die USA und China unter sich aus. Es stünden heute aber weitere Technologien vor dem Durchbruch, so der Konsens auf der Konferenz. Hier komme auch Europa wieder ins Spiel: „Wir müssen verstehen, dass Deep Tech viel größere Lösungen bereithält, als wir es aktuell noch kennen“, sagte Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung.
Ein Beispiel dafür sind Quantencomputer: „Diese Technologie wird alle heute existierenden Data Analytics durch seine Superkraft übertreffen“, so Markus Pflitsch, Gründer von Terra Quantum AG. Mit seinem Startup hat der Quantenphysiker eine Lösung entwickelt, mit der Industrieunternehmen die Technologie schon heute nutzen können. Ergebnis: „Der Chemiekonzern Evonik konnte seine Kosten im Bereich „fluid mixing” um 40 % senken”, berichtete Pflitsch. Ein ähnliches Potenzial gebe es auch im Energie- oder Gesundheitssektor.
Auf der Bühne: Neuer Weltrekord im Bereich Cybersecurity verkündet
Doch vor allem der Bereich Cybersicherheit werde sich grundlegend verändern: „Quantentechnologie ist das ultimative End Game für Cybersecurity”, erklärte Pflitsch – um unmittelbar danach einen neuen Cyberscurity-Weltrekord zu verkünden: „Unser neues Quantum Key Distribution (QKD) Protokoll ist 10.000 mal schneller als der bisherige Rekord aus China”, gab Pflitsch exklusiv auf der Hinterland bekannt. Dass es solche Meilensteine braucht, haben Investor:innen bereits erkannt: „Quantentechnologie ist der neue Antriebsmotor für Europa”, sagte Christoph Schuh, Partner beim Venture Capitalist Lakestar LP.
Die Finanzierungslücke in Europa sei aber weiter groß: „Wir liegen 15 bis 20 Mal unter den USA, was die Finanzierung pro Gründer:in angeht”, so Schuh. Diese Lücke müsse geschlossen werden, um im internationalen Wettbewerb nicht weiter zurückzufallen. Zum Vergleich: Die EU steckte 2022 1,2 Milliarden Dollar in Quantentechnologien – China 15,3 Milliarden Dollar. Auch Tech-Riesen wie Google und IBM investieren derzeit enorme Summen in die Entwicklung. Ist das Rennen also aussichtslos? Mitnichten, meint Schuh, Europa habe das nötige Potenzial, um ein wichtiger Akteur der neuen Schlüsseltechnologie zu werden. Das hat auch IBM erkannt: Erst kürzlich gab das Unternehmen den Bau seines ersten europäischen Quanten-Rechenzentrums in Deutschland bekannt. Europa hat also Zukunft, wenn es nur will.
KI Made in Germany
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