Verwirrende Welt. Zum einen werden wir im unternehmerischen Umfeld mit immer mehr Input konfrontiert. Zum anderen sind Ableitungen immer schwerer zu identifizieren, geschweige denn zu formulieren. Was oftmals fehlt, ist eine simple Klarheit in den Aufgaben und ein gut platzierter Fokus mit Blick auf die eigene Vision. Eine gute Möglichkeit dies zu erreichen sind OKRs – Objectives und Key Results.
OKRs haben sich in den letzten Jahren zu einem der führenden Modelle für die Definition von Zielen etabliert. Entwickelt und geprägt von amerikanischen Konzernen wie Google, Apple, Linkedin und Co. finden sie zunehmend Einzug in den Deutschen Mittelstand.
Die Logik ist einfach. OKRs werden im Drei-Monats-Turnus definiert. Die Festlegung erfolgt dabei sowohl Top-Down, als auch Bottom-Up. Auf diese Weise erreicht man einen steten Abgleich zwischen Vision, Strategie und operativen Aufgaben. Geht das Quartal zu Ende, werden Learnings zusammengetragen und in die Planung der OKRs für die kommenden drei Monate einbezogen. So entsteht eine laufende Routine der Selbstreflexion und ein steter Abgleich zwischen operativen Doing und übergeordneter Vision.
Soweit in der Theorie. Oftmals gelingt die Integration von OKRs in Organisationen jedoch nicht. Unterschiedliche Zielvorstellungen, sowie kulturelle Missverständnisse sorgen dafür, dass OKRs nicht nur häufig scheitern, sondern zur Zielscheibe des Unmuts über vollkommen natürliche Veränderungsprozesse verklärt werden.
Doch wie kommt es dazu? 3 Thesen, die den wahren Grund des Scheiterns von OKRs in mittelständischen Unternehmen ausmachen:
1. OKRs sind kein Zielsystem, sondern eine Organisationsform.
OKRs werden häufig als Zielsystem definiert. Im Atemzug mit bspw. Balanced Scorecards, SMART-Modellen, KPIs und anderen Zielsystem, versprechen sie die Ziele von Organisationen effektiv zu steuern. Dies wird der Tragweite des Modells jedoch nicht ansatzweise gerecht.
Während traditionelle Zielsysteme aus der früheren Managementliteratur Fokus auf die konkrete Ausgestaltung von quantitativen Zielen in statischen Organisationen legen, sind OKRs tiefgreifender zu verstehen. Als allgemeine Empfehlung für die Einführung von OKRs gilt, dass sie auf mehreren Ebenen zu verwenden sind. Von der Unternehmensebene über die Abteilung und die Teams bis hin zum Einzelnen. Jede Ebene legt ihre OKRs in Abstimmung mit der höheren Ebene fest.
Unerlässliche Voraussetzung dessen ist eine Unternehmensorganisation, die dies überhaupt ermöglicht. Um OKRs ganzheitlich erfolgreich anzuwenden, müssen sich Mittelständler eine Sache fragen: Ist die Organisation darauf ausgerichtet Kundenbedürfnisse pyramidal zum Mittelpunkt ihrer Vision zu machen und nicht weiter in starren Abteilungen, einengenden Prozessen und fixen Produkten zu denken?
2. OKRs sind ein beidseitig offener Prozess – keine Einbahnstraße.
Einhergehend mit der vorherigen These, sind OKRs keine Einbahnstraße der Delegation. Gerade in deutschen Mittelständlern ist diese Auffassung bis heute noch sehr ausgeprägt: Das Management gibt Ziele vor, die hierarchisch weiterverfolgt und gegliedert werden. In modernen Organisationen, gerade in agilen und innovativen Startups, ist diese Denke nicht mehr vorstellbar. Heute heißt es eher “Lean Startup” statt deutscher Ingenieurskunst.
Schnelle Iteration, Mitbestimmung und transparente Kommunikationsprozesse sind nur einige der Begriffe, die in dem Zuge häufig fallen. Doch Achtung: Es geht dabei nicht darum, die Werte, die unseren Mittelstand stark machen, zu verwerfen. Vielmehr geht es um eine zeitgemäße Anpassung und Adaption verkrusteter Strukturen. Dazu gehört eben auch unternehmerische Ziele zu einem Akt der Mitbestimmung umzufunktionieren. OKRs können nur dann funktionieren, wenn die Bereitschaft der Kommunikation zu und von jedes einzelnen Mitarbeitenden eingefordert und gelebt wird.
3. OKRs erzeugen keine organisatorischen Schwächen – sie decken sie lediglich auf.
Ja, OKRs erzeugen eine Menge Reibung. Sie können unnatürlich sein, da sie nicht messbare Dinge wie bspw. Entwicklung messen. Vielleicht stehen sie teilweise im Widerspruch zu zentralen KPIs.
Deshalb sind sie auch nicht das Ad-Hoc Allheilmittel zur Innovation. Stattdessen stehen sie stellvertretend für die Umsetzung moderner Unternehmenskulturen, die Schwachpunkte klassischer Hierarchien aufdecken. Allerdings, und das wird häufig vorgeworfen, erzeugen sie diese nicht.
Die geschilderte Reibung entsteht eben nicht dadurch, dass das Instrument der OKRs zur Steuerung der Unternehmensziele genutzt wird, sondern durch mangelndes Vermögen einer gemeinsamen Zieldefinition. Alte Verhaltensweisen in ein neues Modell zu pressen, ist wie eine Brieftaube mit Sprachnotiz losschicken zu wollen. Soll heißen: Es klappt halt nicht. Innovative Ansätze, so wie es OKRs sind, leben von der Haltung und Bereitschaft zur Umsetzung.
Fest steht: OKRs sind Ausdruck einer neuen Art und Weise von Unternehmenskulturen. Dass sie einen Gewinn bringenden Einfluss auf die kulturelle Transformation in mittelständischen Unternehmen haben können, ist mittlerweile außer Frage. Doch zu einer erfolgreichen Umsetzung ist die sukzessive Öffnung für neue Organisationsformen essenziell – ohne dabei die zentralen Werte historisch bewährter Unternehmensstrukturen zu unterwandern und gänzlich als schlecht zu verdammen.