Bei Wago wurde zum Beispiel das Format Kickbox entwickelt, in dem Menschen aus der eigenen Belegschaft ihre Ideen pitchen können: “Da kommen teilweise richtig gute Ideen zusammen”, sagt Heiner Lang. Es habe zwar Zeit gedauert, bis der Mut bei den Mitarbeiter:Innen groß genug war, ihre Ideen zu äußern, aber dafür sind die Ideen heute umso wertvoller. Zeitgleich zahlten solche Formate auf die Arbeitszufriedenheit ein, denn sich einbringen zu können und eine offene Kommunikation zu pflegen, habe heute eine größere Bedeutung denn je. Hier ist Vorleben das Schlüsselwort. “Wenn du in deinem Team ein Umfeld hast, in dem dir laut widersprochen wird, könnt ihr gemeinsam das Beste aus den Köpfen holen”, sagt Carsten Coesfeld.
Insgesamt sei es wichtig, sich den Herausforderungen der Zeit zu stellen und sich für neue Themen zu öffnen. “Ich muss mich selbst fähiger machen, um in diesen Themen performanter zu sein. Wenn jemand anderes auf ne coole Idee kommt, die man selbst nicht hatte, bricht man sich keinen Zacken aus der Krone, das auch anzunehmen und einzukaufen”, sagt Jan-Hendrik Goldbeck. Gerade die Zusammenarbeit mit Startups sei auf beiden Seiten ein echter Gewinn: “Die ernsthaften und echten Probleme der Familienunternehmen und des Mittelstands machen die Startups sicher für die Realität. Wir können stark voneinander profitiieren. Auch im Sinne von diversity – es ist immer bereichernd, sich auch mit anderen Unternehmenskulturen auseinanderzusetzen.”
Gerade bei KI können Startups die Lösung bringen. Zwar haben die Amerikaner hier einen kaum aufzuholenden Vorsprung, doch Elisabeth L’Orange (CCO & Founder @Oxolo) ist sich sicher, dass wir Modelle brauchen, in denen auch europäisches Gedankengut verarbeitet wird: “Denn sonst werden wir künftig von amerikanischen oder chinesischen Gedankengut geprägt.” Doch es gibt für KI-basierte Lösungen bereits jetzt eine breite Masse an Problemen – und es werden sicher noch mehr. “Der Mehrwert ist immer gegeben, wenn man versucht, Herausforderungen des Unternehmens zu lösen”, sagt Florian Nielsen (Miele). Neben den Lösungen für Probleme gelte es aber auch zu schauen, wie man neue Produkte kreieren kann, in denen man KI nutzt.
Die große Sorge vor dem Austausch von Fachkräften durch KI teilen die Experten nicht. “Es werden eigentlich mehr Jobs geschaffen, als ersetzt werden. Ersetzt werden nur die Tätigkeiten”, sagt Judith Peterka (KI-Expertin Bund). Weiterbildung sei für mittelständische Unternehmen ein weiteres Thema. Hier könne KI einen echten Mehrwert schaffen. Laut Sascha Lobo müssen sich Unternehmer heute vor allem zwei Fragen stellen, wenn es um KI geht: “Wo ist der Datenstrom, der meine Branche verändern wird und wie komme ich da dran?” Denn die ganzen KI-basierten Innovationen hätten uns vor allem eines aufgezeigt: „KI- seitig ausgewertete Datenströme, die da draußen sind, können das ganze Geschäftsmodell auf den Kopf stellen.” Diese zu finden und zu implementieren, sei zurzeit die größte unternehmerische Aufgabe.
Dabei sollten gerade mittelständische Unternehmen den Wert der KI-basierten Angebote für sich sehen: “Die allermeisten mittelständischen Unternehmen sitzen heute schon auf einem gigantischen Datensatz, von dem man noch nicht sagen kann, welchen Wert er besitzt. Wir sehen an vielen Ecken und Enden, was das bedeuten kann.” Seine Empfehlung an Unternehmer lautet daher, die Furcht gegenüber KI abzulegen und sich gern auch kompetenter Hilfe aus Startups zu bedienen, die das eigene Geschäft stärken können. Dafür braucht es Dialog auf Augenhöhe.
Aber wo zwei Kulturen aufeinander treffen, besteht auch immer das Risiko für Probleme. Wilhelm Böllhoff findet diese Trennung schwierig: “So unterschiedlich sind Startups und Familienunternehmen nicht und ich mag auch diese Vorurteile nicht. Ich kenne Startups, die nicht als erstes über ihren Exit nachdenken, die langfristig erfolgreich sein wollen. Und letztlich waren wir auch alle mal Gründer. In diesem Sinne war mein Urgroßvater Startup-Unternehmer. Ich empfinde es geradezu als drollig diese künstliche Verschiedenheit herbeizureden.”
Auch für Heiner Lang (Wago) überwiegen die Vorteile: “Ich suche in den Bereichen Hilfe bei Startups, die Dinge tun, wo wir uns teilweise schon schwer damit tun, sie zu denken.” Vanessa Weber (Werkzeug Weber) geht sogar einen Schritt weiter: “Ich glaube, dass wir manche Probleme auch gar nicht allein lösen können.” Vielen Unternehmern und auch Startups falle es aber noch immer schwer aufeinander zuzugehen: “Dafür sind Plattformen wie hier richtig gut. Hier können beide Seiten netzwerken, wenn sie offen dafür sind.” Auch sie unterstreicht die Gemeinsamkeiten, die gerade auch zwischen Startups und Familienunternehmern bestehen: “Als Nachfolger ist man auch in einer Startup ähnlichen Situation: man tritt in die Fußspuren der Eltern aber muss auch eigene hinterlassen und sich von manchen Dingen lösen.”
Was jedoch nichts bringe, sei das stetige Schimpfen auf die jüngeren Generationen und ihren vermeintlich fehlenden Arbeitswillen. Dass sie nichts leisten wollen, sei schlichtweg eine falsche Unterstellung und behindere die Zusammenarbeit – auch mit Startups deren Gründer häufig jünger seien.. “Wir haben auch als Unternehmer die Aufgabe, ein Zeichen zu setzen, dass es Spaß macht, sich einzusetzen und einzubringen. Coole Optionen zu kreieren. Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, dass Arbeiten zwischen den Generationen Spaß macht”, sagt Frank Seidensticker und das Publikum an der Hinterland Stage stimmte ihm applaudierend zu. Das funktioniere durch Loslassen und darin, andere zu ermutigen, sich in manchen Dinge einzubringen und diese zu treiben. Ein verkopftes Micromanagement sei da alles andere als förderlich.
“Ich hab immer gedacht ich brauche Leute an meiner Seite, die das ausfüllen, worin ich schlecht bin, Ich habe nie versucht irgendwas zu machen, worin ich schlecht war, sondern habe mich immer auf meine Stärken konzentriert“, sagt Miriam Wohlfarth (Banxware). Sie ist sich sicher, dass gerade das nicht nur auf die Außenwelt, sondern auch auf die komplette Unternehmenskultur eingezahlt habe: “Fachkräftemangel gab es bei uns nicht. Die Leute wollten gern hier arbeiten.”