„So ein Mist, alles was ich abgebe, landet wieder auf meinem Tisch“, „Warum fragen die ständig, statt selber nachzudenken!“, „Alles hängt an mir!“
Nervt Dich das auch kolossal? Willkommen im Club. So wie Dir geht es fast allen, die anfangen, Verantwortung abzugeben. Kaum hast Du etwas delegiert, kommt es wie ein Boomerang zurück. Das Phänomen der Rückdelegation – Dir werden die Affen zurück auf die Schultern gesetzt.
Lies hier, warum es so wichtig ist, die Rückdelegation in Griff zu bekommen. Verstehe, was Dich zum/r Komplizen/in bei der Rückdelegation macht und lerne die Anti-Affen-Waffe kennen.
Gefangen in der Rückdelegation
Frank war von Anfang an als CMO dabei, er kennt das Marketing wie seine Westentasche. In den ersten Coachings konnte er sich oft kaum konzentrieren. Regelmäßig kamen Slack Nachrichten aus dem Team: „Da läuft was nicht, ich weiss nicht weiter, hilf mir!“ Und schon sprang er auf und half seinen Kolleg:innen aus der Patsche. Denn ohne Vermarktung kein Umsatz.
Das Dumme dabei: Die Hilfe für sein Team unterbrach ständig seinen Tag. Zeit für Strategie? Fehlanzeige. Zeit für die Mitarbeiter:innen und ihre Entwicklung? Vergiss es. Gleichzeitig das ungute Gefühl, dass das Team immer weniger Verantwortung übernahm, seine Kompetenz verlor und zunehmend mit totalem Kleinsch… auf der Matte stand. Besonders frustrierend: Sein Einsatz wurde nicht mal geschätzt. Im Gegenteil: Alle warfen ihm vor, sich nicht um die Strategie, die Mitarbeiter:innen und die Teamentwicklung zu kümmern. Aber wie auch?
5 Erkenntnisse zur Rückdelegation
Klingt zu dramatisch? Ist aber in vielen Teams Realität. Wir wollen helfen und nehmen die Verantwortung, die eigentlich ins Team gehört, wieder zurück. Klassischer Fall von Rückdelegation, oder wie es im Volksmund heißt: Wir lassen uns den Affen auf die Schulter setzen. Das Beispiel von Frank zeigt die ganze Affen-Dynamik:
Jedes Ja ist ein Nein. Jeder Affe, den Du auf Deine Schultern nimmst, kostet dich Zeit. Da kommen schon mal 20-25 % Deiner Arbeitszeit zusammen. Wertvolle Zeit, die an anderer Stelle fehlt: Für die Führungs- und Entwicklungsaufgaben, für die Strategie Deines Teams. Und sie zerhacken Deinen Tag. Fokussierte Arbeit wird unmöglich.
Deine Mitarbeiter:innen = Dein:e Chef:in. Mit der Rückdelegation dreht sich eure Beziehung: Du übernimmst die Verantwortung und Deine Kolleg:innen ziehen Dich zur Rechenschaft, sie werden zum/r Manager:in Deiner Zeit. Jetzt stehen sie auf Deiner Matte: „Wann ist das endlich fertig, ich kann sonst nicht weiterarbeiten“
Vorsicht, ansteckend! Die Rückdelegation von Verantwortung ist der einfachste Weg, um in der Komfortzone zu bleiben. Für Dich und Dein Team. Je besser die Rückdelegation an Dich klappt, desto häufiger wird sie genutzt.
Rückdelegation macht dumm. Jede erfolgreiche Rückdelegation reduziert die Kompetenz Deines Teams weiter. Deine Mitarbeiter:innen verlernen es, ihre Probleme selber zu lösen. Erlernte Hilflosigkeit in Reinkultur.
Verlust der Führung. Wenn Du nicht aufpasst, stapelt sich die Arbeit Deiner Kolleg:innen auf Deinem Tisch. Du bist nur noch im Hamsterrad und verlierst den freien Kopf. Und schon sind die Beschwerden nicht mehr fern: Der/Die bekommt doch nichts auf die Reihe. Der/Die hängt viel zu sehr im Operativen und führt nicht. Wieso ist der/die überhaupt unser:e Chef:in? Klingt übertrieben. Leider nicht. Habe ich alles schon gehört!
"Wenn du als Unternehmer wirklich wachsen willst, musst du lernen zu delegieren."
Richard Branson
Schluss mit der Komplizenschaft
Rückdelegation ist Mist und sollte sofort gestoppt werden. Wahrscheinlich denkst Du jetzt: „Das Team soll einfach die Verantwortung übernehmen! Eine klare Ansage und dann klappt das!„
So einfach ist das leider nicht. Denn das Team kann die Verantwortung nur übernehmen, wenn Du sie loslässt. Solange Du die Rückdelegation annimmst, bist Du Kompliz:in in einer Situation, die keinem weiterhilft. Und Du wirst zum/r Kompliz:in, weil Dir die Rücknahme der Verantwortung auch etwas gibt: Eine Bestätigung, das gute Gefühl zu helfen … was auch immer.
Daher kommst Du aus dieser Situation erst heraus, wenn Du verstehst, warum Du die Verantwortung so gerne wieder zurücknimmst. Willst Du stark sein, perfekt, schnell oder Deinen Kolleg:innen etwas Gutes tun? Sind es alte Angewohnheiten? Je nachdem was Dich antreibt, verfangen unterschiedliche Rückdelegations-Strategien. Deine Mitarbeiter:innen wissen ganz intuitiv, mit welchen Ködern sie Dich nahe genug anlocken, um Dir den Affen zu übergeben.
Der/Die Starke
Du bist stolz auf Deine Power und Dein Durchhaltevermögen. Ein:e echte:r Kämpfer:in. Du bist unabhängig und hast alles unter Kontrolle. Nur keine Schwäche zeigen.
- Der Köder: „Ich schaff das nicht mehr. Mir ist das alles zu viel.“ „Der Kunde will nur dich sehen.“
- Dein Kick: Das sind ja alles Schluffis! Nur die Harten kommen in den Garten. Ich zeige allen, was ich wegschaffe. Super, was ich alles gebacken bekomme.
- Deine Antwort: „Dann mache ich es halt selbst!“
Der/Die Perfektionist:in.
Alles, was Du machst, muss perfekt sein. Du liebst Zahlen und Details, arbeitest sorgfältig und präzise. Du gibst immer 180%.
- Der Köder: „Ich verstehe das noch nicht!“ „Ich weiss nicht, ob das alles so passt – kannst du da mal drüber schauen?“
- Dein Kick: Die bekommen aber auch nichts hin! Diese schlampige Arbeit nervt kolossal. Nur wenn ich es mache, stimmt die Qualität.
- Deine Antwort: „Ok, ich überprüfe das noch mal!“
Der/Die Retter:in.
Du möchtest von allen gemocht werden, Dir fällt es schwer, nein zu sagen. Du stellst Dich immer vor das Team und schützt es vor der bösen Welt da draußen.
- Der Köder: „Ich habe schon so viel auf meiner Liste, ich schaffe das nicht mehr.“ „Kannst du mich dabei unterstützen?“
- Dein geheimer Kick: Mein armes Team. Ich mute denen zu viel zu! Um so besser, wenn ich ihnen helfen kann! Dann bin wirklich ein guter Chef
- Deine Antwort: „Ich helfe dir gerne! Ich nehme dir das gerne ab!“
Der/Die Schnelle.
Du bist ein:e großartige:r Jongleur:in, machst in einem Wahnsinns-Tempo alles gleichzeitig. Du bringst die Dinge wirklich voran. Geschwindigkeit ist alles, was zählt
- Der Köder: „Wie schnell brauchst du das? Bis übermorgen habe ich das fertig“
- Dein Kick: Ich will es aber JETZT, je schneller desto besser. Diese Lahmär…, kommen einfach nicht aus dem Quark.“
- Deine Antwort: „OK, ich mach das nachher schnell, das kann jetzt nicht warten.“
Das Gewohnheitstier.
Quer zu den ersten viel Typen liegt das Gewohnheitstier. Als Gründer:in hast Du anfangs ja auch alles selber gemacht. „Hands on“ ist eine zentrale Tugend eurer Kultur. Also machst Du schnell mal, statt zu führen und wirklich loszulassen. Und schon schnappt die Falle zu.
Je besser Du Deinen Typen und die Strategien verstehst, desto leichter fällt es Dir, die Rückdelegation zu erkennen und im Keim zu ersticken. Dann bist Du bereit für die Anti-Affen-Waffe.
Die Anti-Affen-Waffe: 5 Powerfragen, eine Mailbox und eine Sprechstunde
Die Anti-Affen-Waffe besteht aus 5 Fragen, einer Mailbox und einer Sprechstunde.
Mach allen im Team klar, dass Du ihre Rückdelegation künftig hinterfragst. Wer auch immer Deine Hilfe in Anspruch nehmen will, muss sich ab sofort mit den folgenden 5 Powerfragen vorbereiten. Und zwar schriftlich, als Mail an Dich.
- Was genau ist das Problem? Wenn Deine Kolleg:innen ihr Problem beschreiben, setzen sie sich intensiver damit auseinander. Dabei kommen oft schon die ersten Ideen.
- Was hast Du bisher versucht? Als Nächstes reflektieren sie, was der bisherige Lösungsansatz war. Und schauen sich damit ihre Anstrengungen von außen an. Auch das hilft, Denkblockaden zu lösen.
- Was könntest Du noch versuchen? Mit dieser Frage aktivierst Du die Kreativität Deiner Kolleg:innen frei nach dem Motto: „Gib nicht gleich auf! Du hast sicher noch bessere Ideen!“
- Wer im Team könnte Dir dabei helfen? Wie könnt ihr euch gegenseitig bei der Problemlösung unterstützen? Was kannst du von den anderen lernen? Damit aktivierst du die Ressourcen im Team und förderst den Teamgeist.
- Was brauchst Du von mir? Geh erst in die Bütt, wenn alles andere gescheitert ist. Aber auch jetzt übernimmst Du nicht einfach, sondern begleitest Dein Gegenüber bei der Lösung des Problems. Dann wird aus der Problemlösung eine Lernsession. Und schon hast Du Dein Wissen wieder ein Stück weitergegeben.
Happy End: Endlich Zeit für die Führung
Frank hat genau das gemacht: Er hat sein Team mit den 5 Powerfragen gebrieft, die Anfragen gesammelt und dann am Stück mit den Betroffenen abgearbeitet.
Der Effekt war gigantisch: Schon nach einem Monat trudelten pro Woche nur noch 1-2 Anfragen ein – vorher waren es mehrere pro Tag. Die Zeiteinsparung: 8-10 Stunden pro Woche. Ein ganzer Arbeitstag! Die Sprechstunden nutzt er jetzt, um sein Wissen über komplexe Lösungen an seine Kolleg:innen weiterzugeben. Und die gewonnene Zeit, um regelmäßige 1:1 Meetings mit seinen Kolleg:innen zu machen. Auch wenn sie jetzt mehr Aufgaben selber übernehmen: Die Zufriedenheit steigt. Denn das Erfolgsgefühl, dass sich einstellt, wenn man eine schwierige Aufgabe selber löst, ist viel wertvoller als das bisschen Entspannung nach dem Abgeben einer Aufgabe. Win-Win-Win. Für Frank, für das Team, für das Unternehmen.
Und nun zu Dir!
Mach eine Inventur:
- Wie viel Prozent Deiner Zeit spart es, wenn Du die Affen auf den Schultern Deiner Kolleg:innen lässt?
- Welcher Rückdelegationstyp bist Du? Was triggert Dich?
- Wie setzt Du die Anti-Affen-Waffe um?
Über die Autorin
Mit ihrem ganzheitlichen Führungsmodell unterstützt Dorothea von Wichert-Nick Gründer:innen und Führungskräfte dabei, nachhaltiges Wachstum zu realisieren – sowohl für ihre Unternehmen als auch für die Menschen in ihren Teams. Die Teilnehmer:innen ihres Coachings sind Gründer:innen und Führungskräfte von Wachstumsunternehmen, sowohl auf individueller als auch auf Teamebene. Dorothea unterstützt auch unsere Unternehmertalente innerhalb unserer verschiedenen Education Programme.
Werde zum Growth Leader #1
der/die Kolleg:innen fördert und inspiriert.