Es ist ein Gewinn für die deutsche Startup-Szene und die #ESOPasap-Initiative: Das Gesetz, das es Startups erleichtern soll, ihre Mitarbeiter:innen mit Anteilen an der Firma zu beteiligen, könnte den Standort Deutschland wieder attraktiver machen. Es muss aber an den richtigen Stellen nachgebessert werden.
Die deutsche Startup-Szene kämpft auf dem internationalen Markt um die besten Talente. Die Stellenausschreibungen überbieten sich mit Benefits für Kandidat:innen, die frei wählen können, wo sie arbeiten möchten. Neben flexiblen Arbeitszeiten und Remote Work sind Unternehmensanteile ein beliebtes Mittel, um neue Talente anzulocken. Dieses Programm nennt sich Mitarbeiterbeteiligung oder auf Englisch „Employee Stock Option Plan“ (ESOP).
Das Problem: Deutschland hat ungünstige steuerliche Rahmenbedingungen für ESOP. Seit Jahren fordert die Startup-Szene von der Politik Lösungen, die Mitarbeiter:innen das Halten von Unternehmensanteilen erleichtern. Der Bundesverband Deutsche Startups hat die Initiative #ESOPasap ins Leben gerufen, die sich für eine Milderung der sogenannten Dry-Income-Besteuerung einsetzt. Die Aufmerksamkeit lohnt sich: In den letzten Wochen ist Bewegung in die Politik gekommen.
Das Problem der Besteuerung von ESOP
Startups verteilen gerne Anteile an ihre Mitarbeiter:innen, um sie zu motivieren und möglichst lange zu halten. Für die Mitarbeiter:innen ist es wichtig zu wissen, ob ihnen ein VSOP oder ein ESOP angeboten wird. ESOP sind echte Aktienoptionen, die vor dem Verkauf versteuert werden müssen. Eine einfachere Alternative sind VSOP – virtuelle oder nicht echte Aktienoptionen -, die in Deutschland häufig verwendet werden. Sie sind mit weniger bürokratischem Aufwand verbunden. Herkömmliche ESOP-Anteile müssen jedoch relativ schnell versteuert werden. Das deutsche Steuerrecht geht davon aus, dass die Anteilshalter:innen einen realen Wert erhalten und dieser Wert besteuert werden müsse, obwohl die Aktien noch gar nicht in reales Geld umgewandelt sind. Das kann so ein hoher Steuerbetrag auf einmal sein, dass ESOPs eher zu einer Belastung als zu einem Vorteil für die Mitarbeiter:innen werden. Genau dieses Problem soll mit dem neuen Gesetz gelöst werden.
Das neue Gesetz löst (fast) Probleme der Startup-Szene
Die Gründerszene dürfte sich freuen. Angeführt von Christian Miele fordert der Bundesverband Deutsche Startups, dass das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm ESOP in Deutschland leichter umgesetzt werden kann. Nur so könne Deutschland im internationalen Wettbewerb mithalten. Nun wurde die Szene erhört: Finanzminister Christian Lindner plant im neuen Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFiGe), bessere Bedingungen für Anteile von Mitarbeiter:innen zu schaffen.
Die wohl wichtigste Neuerung: Die Besteuerung des sogenannten Dry-Income soll abgemildert werden. Aktuell müssen Mitarbeiter:innen ihre Firmenanteile versteuern, und das bereits bevor sie ihre Anteilsoptionen zu Geld machen – nämlich dann, wenn sie ihre Anteilsoptionen zu echten Anteilen umwandeln. Das nennt sich Exercise. Das Neue: Bisher mussten Anteilseigner:innen nach spätestens 12 Jahren Steuern für ihre Anteile zahlen, nach dem neuen Gesetz sind es 20 Jahre.
Noch interessanter für Startup-Mitarbeiter:innen dürfte die Tatsache sein, dass selbst dann keine Steuern anfallen, wenn man das Unternehmen aufgrund eines Jobwechsels verlässt. In vielen Verträgen ist nämlich eine Frist festgelegt, innerhalb derer sich die Mitarbeiter:innen entscheiden müssen, die Aktienoptionen in echte Aktien umzuwandeln. Mit der Kündigung fängt diese Zeit an zu laufen – eine undankbare Situation für Arbeitnehmer:innen. Künftig könnte die Besteuerung bis zum Verkauf der Anteile aufgeschoben werden. Das gilt laut Gesetz aber nur, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die anfallende Lohnsteuer zu übernehmen.
Der Bundesverband Deutsche Startups begrüßt das Gesetz, hat aber noch einige Änderungsvorschläge, um ESOP wirklich attraktiv zu machen. So fordert er beispielsweise eine Pauschalbesteuerung – wie bei Stammaktien üblich – sowie eine Klarstellung zu vinkulierten Aktien, die derzeit im Gesetz nicht erwähnt werden.
Vinkulierte Aktien sind Anteile, bei denen typischerweise die Zustimmung des Unternehmens oder der Investor:innen vorliegen muss, um sie zu veräußern.
In Startups ist es üblich, dass Mitarbeiter:innen die Genehmigung des Unternehmens oder der Investor:innen einholen müssen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass neue Anteilseigner:innen den langfristigen Zielen und Strategien entsprechen, bevor sie Anteile erwerben dürfen. Nach Ansicht des Bundesverbands Deutsche Startups sollten auch diese vinkulierten Anteile berücksichtigt werden und alle Neuerungen auch für sie gelten.
Deutschland könnte wieder attraktiver werden
Die Politik ist also auf einem guten Weg, die Startup-Strategie vom Sommer 2022 umzusetzen, wenn das Zukunftsfinanzierungsgesetz im nächsten Jahr in Kraft tritt. Allerdings „droht das Gesetz ins Leere zu laufen“, wenn Linder die Vorschläge des deutschen Startup-Verbands nicht umsetzt. Das Potenzial ist groß, denn laut einer aktuellen Studie von Index Ventures würde Deutschland mit dem neuen Gesetz nicht mehr zu den unbeliebtesten Startup-Ländern gehören, sondern vor Italien und den Niederlanden auf Platz fünf vorrücken. Für die Startup-Szene und ihre Talente bleibt zu hoffen, dass die Entwicklung nicht stagniert, sondern im Finanzministerium zügig gehandelt wird.