Weltklasse-Forschung, motivierte Talente, massig Kapital – all das hat Deutschland bereits zu bieten. Doch in der Praxis kommt nur wenig davon an. Der Startup-Verband hat nun eine Innovationsagenda vorgestellt, die als Sprungbrett für den künftigen Erfolg dienen soll. Von welchen Maßnahmen Startups schon bald profitieren können und welche Forderungen völlig neues Potential bieten, erfährst Du in diesem Beitrag.
Was ist die Innovationsagenda 2030?
Mit der Innovationsagenda 2030 richtet der Bundesverband Deutsche Startups verschiedene Forderungen an die Politik. Ziel ist, Deutschland als Gründerstandort zu stärken. Wie die Vorsitzende Verena Pausder betont, sind dazu alle Zutaten vorhanden – aber noch nicht zu einem passenden Rezept für die Zukunft vermischt. Hierzu haben mehr als 100 Expert:innen nun Vorschläge erarbeitet, die sich nicht nur an die aktuelle, sondern auch kommende Regierungen richten. Das Papier beinhaltet verschiedene Hebel, die deutsche Startups auf die nächste Stufe bringen können. Während einige Forderungen noch neu sind, sind andere Maßnahmen bereits konkret geplant.
Um die folgenden Themen geht es:
Talente gewinnen
Startups kämpfen um gutes Personal – nicht nur vor Ort, sondern auch im Ausland. Im internationalen War of Talents ziehen deutsche Startups aber oft den Kürzeren. Grund: Die Eingliederung von Fachkräften ist kompliziert, zu bürokratisch und dauert zu lange. Laut Startupverband muss sich das dringend ändern, damit der Fachkräftemangel das Wachstum von Startups nicht weiter ausbremst. Möglich machen sollen es folgende Maßnahmen:
VISA-Verfahren digitalisieren: Die Vergabe von Aufenthaltsgenehmigungen läuft weitgehend analog. Die Folge: lange Wartezeiten, in denen Antragsteller:innen noch nicht arbeiten können. Digitale Verfahren sollen den Prozess beschleunigen. Ein Plan, den die Bundesregierung mit dem „Auslandsportal“ ab 2025 bereits umsetzen möchte.
Migrationsministerium: In Deutschland gibt es aktuell mehr als 500 Ausländerbehörden – und somit auch mehr als 500 einzelne Verwaltungen mit teils verschiedenen Verfahren. Ein neues Migrationsministerium soll das Know-How bündeln und sich um die gesamte Einbürgerung kümmern.
Englisch als Amtssprache: Nicht nur bürokratische, sondern auch sprachliche Barrieren stehen dem Zuzug von Talenten im Weg. Um die Kommunikation mit Behörden zu erleichtern, soll Englisch daher als zweite Amtssprache eingeführt werden. Die Forderung steht zwar immer wieder im Raum, konkrete Pläne gibt es allerdings noch nicht.
Einkommensteuer absetzen: Länder wie Spanien oder die Niederlande locken ausländische Talente bereits mit Steuervorteilen. Die soll es künftig auch in Deutschland geben. Es ist bereits beschlossen, dass zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren zunächst 30, dann 20 und zuletzt 10 Prozent ihres Bruttolohns steuerfrei erhalten.
Abschlüsse leichter anerkennen: Schneller und einfacher soll auch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse sein. Der Startupverband fordert, dass Startups dabei eine zentrale Rolle spielen. Reicht ihnen etwa eine Qualifikation aus, könnten sie dies bescheinigen und Talente sofort beschäftigen.
Finanzierung stärken
Auch – oder vor allem – Startups leiden aktuell unter der schwächelnden deutschen Wirtschaft. Für den Startupverband ist die ausreichende Finanzierung aber eine Grundvoraussetzung, um Innovationen weiter voranzutreiben. Vor allem der Vergleich zu Vorreitern wie den USA macht deutlich, dass Deutschland dringend aufholen muss. Sowohl privates als auch öffentliches Kapital ließe sich über folgende Schritte noch besser nutzen:
Institutionelles Kapital mobilisieren: In Ländern wie den USA ist es bereits Praxis, dass Rentenkassen einen Teil ihres Geldes in den Startup-Markt investieren. In Deutschland fließt dieses Kapital dagegen eher in Aktien oder Immobilien. Laut Startupverband gibt es daher eine riesige Summe an ungenutztem Kapital. Versicherungen verfügen über insgesamt zwei Billionen Euro, Pensionskassen über 700 Milliarden Euro. Würde ein größerer Anteil davon in Wachstumskapital fließen, könnte dies ein gewaltiger Hebel für Startup-Finanzierungen sein. Mit der WIN-Initiative geht die Bundesregierung nun einen ersten Schritt in diese Richtung.
Kleinanleger:innen einbinden: Zum Wachstum beitragen, vom Wachstum profitieren – nach diesem Prinzip sollen sich Privatpersonen mehr an der Finanzierung von Startups beteiligen können. Erste Voraussetzung ist laut Startupverband dabei, Venture Capital als Anlageform transparenter zu machen. Um Funktionsweise und Renditen besser zu verstehen, könnten etwa Daten des European Investmentfonds (EIF) veröffentlicht werden. Dazu schlägt die Agenda neue Finanzprodukte mit klarem Fokus auf Venture Capital vor, die auch für Kleinanleger:innen zugänglich sind.
Exit-Kanäle stärken: Zu häufig entscheiden sich Startups, ihren Exit im Ausland durchzuführen. Seit 2015 sind laut Startupverband allein durch Börsengänge europäischer Unternehmen in den USA 400 Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren gegangen. Ein Grund dafür kann in der Komplexität liegen: Während es in Europa 35 Börsen gibt, gibt es in den USA nur drei. Die Agenda appelliert daher, die oft diskutierte Kapitalmarktunion in Europa endlich in die Tat umzusetzen.
Die Rolle des Staates neu denken
So innovativ Gründer:innen auch sind – wenn der Staat sie durch Regulierungen und zähe Verfahren bremst, kann ihr Geschäftsmodell keine Fahrt aufnehmen. Der Startupverband fordert daher, dass der Staat den Innovationen nicht mehr hinterherhinkt, sondern selbst zum Taktgeber wird. Gelingen kann es über verschiedene Wege:
Öffentliche Aufträge vergeben: Startups bieten Innovationsfreude und Agilität – zwei Eigenschaften, die vielen deutschen Behörden aktuell fehlen. Um etwa die Digitalisierung der Verwaltung voranzutreiben, sollte der Staat enger mit Startups zusammenarbeiten. Laut Agenda sollen hierzu mindestens fünf Prozent der öffentlichen Aufträge bis 2030 an Startups gehen. Notwendig wäre dazu auch, das Vergaberecht zu reformieren.
Chief Digital Officer einstellen: Ähnlich wie in Unternehmen soll es auch für den Staat einen Chief Digital Officer (CDO) geben. Er könnte Digitalisierungsvorhaben zentral koordinieren und beschleunigen. Die Europäische Union ist hierbei schon einen Schritt weitergegangen: Erstmals soll es nun eine eigene Startup-Kommissar:in geben, die sich um Investitionen in innovative Technologien kümmert.
Vorreiter bei Deep Tech & Climate Tech werden
KI, Robotik, Energie – Deep Tech und Climate Tech umfassen Technologien, die ganze Branchen umkrempeln und dringende Probleme wie Klimawandel und Energieknappheit lösen können. Die Ziele des Startupverbands sind ambitioniert: Bis 2030 soll Deutschland ein führender DeepTech-Standort werden und 30 Unicorns in dem Bereich hervorbringen. Dazu soll sich die Zahl der Climate Tech Unicorns mindestens verdoppeln. Was die Agenda dazu fordert:
Finanzierung ausweiten: Mit dem Deep Tech & Climate Fonds (DTCF) hat die Bundesregierung bereits einen milliardenschweren Fonds auf den Weg gebracht. Laut Startupverband ist hier aber noch mehr Volumen nötig, um die kapitalintensiven Geschäftsmodelle stärker zu fördern. Dazu sollen Deep Techs mehr Anreize durch erfolgsabhängige Förderprogramme bekommen. Der Staat übernimmt dabei eine Fördergarantie, die dann eintritt, wenn festgelegte Meilensteine erreicht wurden.
Technologietransfer stärken: Der Startupverband sieht die Forschung an deutschen Hochschulen bereits an der Weltspitze – in der Praxis kommt davon aber bislang nur wenig an. Der Transfer in Geschäftsmodelle sollte laut Agenda daher neben Forschung und Lehre als dritte Säule verankert werden. Hochschulen sollen sich demnach verpflichten, mindestens ein Prozent ihres Budgets für Gründungen bereitzustellen.