Auf der diesjährigen Hinterland of Things Konferenz in der Stadthalle Bielefeld diskutierten Branchengrößen wie Verena Pausder und Brigitte Mohn, welche Startups die besten Chancen haben, wie der Fachkräftemangel überwunden wird und warum wieder Zuversicht in der Szene herrscht.
“Wir sollten viel mehr Zuversicht haben, was die Zukunft angeht.”
Die Szene hatte es in den letzten Jahren nicht einfach, doch die Neugründungen in Deutschland nehmen wieder zu. Laut dem startupdetector report 2023/24 wurden im ersten Quartal 2024 deutschlandweit 17 Prozent mehr Startups gegründet als im Quartal davor. Ähnlich zukunftsorientiert ist die Stimmung auf der diesjährigen Hinterland of Things Konferenz d, die am vergangenen Donnerstag in der Stadthalle Bielefeld stattfand.
Die Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbandes Verena Pausder ist überzeugt, dass die richtige Einstellung deutsche Gründer:innen zum Erfolg führt. “Wir sollten viel mehr Zuversicht haben, was die Zukunft angeht.” Diese Botschaft sollte die Gründerszene auch ins Ausland senden: „Das Narrativ ‚Deutschland schafft sich ab‘ zieht einem nur die Energie aus dem Körper […] Wir müssen positive Aussagen ins Ausland senden“, so Pausder.
Und die Szene hat allen Grund dazu. Auf der Hinterland of Things versammelten sich Sustainable Techs, EdTechs und KI-Startups, die an globaler Innovation arbeiten und vor allem interessant sein dürften, weil folgendes Thema auch vom Hinterland bis international nicht mehr wegzudenken ist: Deep Tech.
DeepTech besetzt die VC Landschaft
Der Wandel ist nicht zu übersehen: Das Interesse an Deep Tech – Geschäftsideen, die einen technologischen Durchbruch anstreben – steigt. Sogenannte “Physical Tech”-Startups in den Bereichen KI und Climate Tech scheinen für Investor:innen inzwischen interessanter als B2C-Software und Plattformprodukte wie beispielsweise Dating-Apps oder Lieferdienste geworden zu sein. Laut der Datenanalyse-Plattform Dealroom wurden im Jahr 2023 ganze 18 Milliarden US-Dollar Risikokapital in europäische Deep Tech-Startups investiert.
Die Investor:innen auf der Hinterland of Things Conference freuen sich über die neue Gründergeneration. Dr. Florian Heinemann, Founding Partner von Project A Ventures, wirbt für “die Schaffung von technisch fundierten Startups, die sich weiterentwickeln werden”. Auch Gründerin des Early Stage VCs Morphais, Eva-Valérie Gfrerer, betont, dass es eine Veränderung von „netzwerkgetriebenem Investieren zu datengetriebenem Investieren” in der VC-Szene gibt. “Neun von zehn Fonds, mit denen wir sprechen, sind interessiert an datengesteuerten Themen”, so Gfrerer. Passend dazu sieht die Investorin “einen Shift hin zu Gründern mit PhD-Background, vor allem im Bereich KI.” Und es würden auch mehr Gründer mit PhD gefunded, so Gfrerer.
“Weg von Nice to Have hin zu Mission Critical": Die deutsche Gründerszene erlebt eine “Gesundung”
Alle setzen auf Deep Tech als nächste Stufe der industriellen Revolution – bei der Deutschland eine große Rolle spielen soll.
Während andere Branchen kämpfen, scheinen Deep Tech-Startups resilient gegen niedrige Bewertungen und Entlassungswellen zu sein. Sie keimen in verschiedenen Regionen auf und beeindruckten Investor:innen wie Rouven Dresselhaus: “Wir sehen den wiedererstarkten Gründergeist. Wir sehen richtig gute Teams”. Er vergleicht den Spirit der aktuellen Gründer:innen mit den “Hype-Jahren”: “Wenn du heute gründest, bist du dir über die Risiken und die Erfolgschancen deiner Unternehmung bewusst. Heute gehst du nur raus, wenn du überzeugt bist, wenn du die Hartnäckigkeit und die Resilienz hast.”
Neue Investmentfonds mit Fokus auf Deep Tech in Europa
Risikokapitalgesellschaften und der Staat konzentrieren sich auf Deep Tech. In den letzten Jahren wurden für entsprechende Start-ups neue Fonds eingerichtet. So hat die Bundesregierung einen Deep Tech & Climate Fund (DTCF) in Höhe von 1 Milliarde Euro aufgelegt. Der VC Vsquared Ventures geht mit einem 214 Millionen Euro schweren Early Stage Fund für Deep Tech-Innovationen ins Rennen und der Earlybird-X Fund unterstützt Deep Tech-Innovationen, einschließlich Robotik, KI und Mobilität. Der schwedische Risikokapitalgeber Creandum hat den 500 Millionen Euro schweren Fund VII ins Leben gerufen, von dem ein Großteil in Start-ups im deutschsprachigen Raum fließen soll.
An diesen Orten scouten Investor:innen
Der Standort Berlin spielt bei Investor:innen längst nicht die größte Rolle, wenn es um innovative Startups geht. Hotspots sind derzeit die Hochschulregionen. VC-Gründerin Eva-Valérie Gfrerer verrät, dass sie und ihre Kolleg:innen die meisten Gründungen an der TU München sehen, gefolgt von Aachen und Dresden. “Das sind Standorte, an denen viel Deep Tech und AI passiert.” Für Gfrerer ist klar, dass Investor:innen jetzt an Universitäten und Orten scouten müssen, die über ihre eigentlichen Gründerszene-Netzwerke hinausgehen.
Fachkräftemangel dominiert die Diskussionen auf der Hinterland auf Things Konferenz
2023 verlor die deutsche Wirtschaft durch nicht vorhandene Arbeitskräfte umgerechnet 90 Milliarden Euro
Dominik Gross, Co-Gründer und CEO @ Founders Foundation
Der Fachkräftemangel ist ein zentrales Thema, das sich durch alle Ebenen der Wirtschaft zieht – und durch die gesamte Konferenz.
Die Bereiche AI, Deep Tech und Klimatechnologien, die stark von innovativen und gut ausgebildeten Fachkräften abhängen, seien besonders betroffen, sagt Valerie Bures, DACH-Chefin und Partnerin der europäischen Risikokapitalgesellschaft XAnge. Sie sieht die größte Konkurrenz für Start-ups nicht etwa unmittelbar in den Wettbewerbern der Szene. Der größte Wettbewerb bestehe darin, die richtigen Talente zu finden, so die Investorin.
Um diesen branchenübergreifenden Herausforderungen gerecht zu werden, brauche Deutschland ein “Choose Germany” Programm, um international attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen, inklusive eines digitalen Visa-Verfahrens, ist Vorstandsvorsitzende des Startup-Verbandes Verena Pausder überzeugt.
Außerdem glauben viele Vertreter:innen der Branche, dass eine gesunde Unternehmenskultur Talente anziehen wird. An diesem Punkt müssten die Unternehmen aktiv arbeiten und sich für mehr Diversität einsetzen, um die richtigen Kandidat:innen zu erreichen.
Eine weitere Herausforderung: Startups, die abwandern: “Wir verkaufen ab”
Aktuell besteht vor allem die Gefahr, dass Start-ups in Deutschland aufgebaut werden und in Europa keinen Exit machen – beispielsweise in Form eines Börsengangs – weil sie in späteren Phasen von ausländischen Investor:innen finanziert werden, anstatt von europäischen. “Dann verkaufen wir ab”, so Unternehmerin Verena Pausder. Sie bedauert, dass “in Deutschland wenig VC-Geld ‘at scale’ investiert wird – das muss sich ändern” und plädiert für eine Kapitalmarkt-Union. “Wenn Startups ‘to good to fail’ sind, gehören sie ausländischen Investoren“, befürchtet Pausder.
Founding Partner von Project A Ventures Dr. Florian Heinemann nennt als Beispiel die Firma Birkenstock, die weltweit als deutsche Marke bekannt ist, aber in den USA einen IPO gemacht hat. Ein weiterer Grund, warum es dem deutschen Markt schadet, wenn immer mehr Startups ins Ausland abwandern: ”Man braucht Exits, um Kapital und Talente im Ökosystem zu recyceln”, erklärt Carsten Gjørtler Salling, General Partner von Dreamcraft Ventures.
“In der Fläche sitzen die Weltmarktführer”
Was die Hinterland of Things Conference von anderen Konferenzen unterscheidet, ist die enge Verbindung zum deutschen Mittelstand. Und das könnte Deutschland existenziell von anderen Märkten unterscheiden: Für Verena Pausder ist das die “Kernstärke unseres Landes: Weltklasseforschung, gepaart mit industrieller Produktion gibt uns die ideale Basis.” Sie ruft dazu auf, “sich an die dicken Bretter heranzuwagen“, dafür sei “der Match von Mittelstand und Start-up ideal”. Auch der CEO der Founders Foundation Dominik Gross appelliert an die Stärke der Kombination von Startup und KMU: “75 Prozent des BIP werden außerhalb der zehn größten Städte erwirtschaftet. In der Fläche sitzen die Weltmarktführer”, so Gross.
Doch wie gelingt die Zusammenarbeit zwischen Mittelständlern und Start-ups? Dr. Fabian Kracht, Partner und Gründer der Mittelstandsberatung mesakumo, empfiehlt, einen “Champion” in der Mittelstandsorganisation zu benennen, der in einer hohen Position die Zusammenarbeit mit dem Startup organisiert.
Nach unzähligen Panels und Diskussionen verlassen die Gäste und Speaker der Hinterland of Things Conference die Stadthalle mit einem positiven Ausblick und sind optimistisch, dass eine starke Basis aus Mittelstand, Geldgeber:innen und Start-ups Deutschland auf die nächste Stufe der industriellen Revolution heben wird.
Weitere Einblicke in die Hinterland of Things Conference erhalten Sie hier.
Für weitere Informationen und Rückfragen: Anna-Luisa Korte, Director Brand & Content Founders Foundation gGmbH, anna@foundersfoundation.de
Über die Founders Foundation: Die gemeinnützige Founders Foundation gGmbH bildet die nächste Generation erfolgreicher Gründer:innen aus und baut im Herzen des deutschen Mittelstands ein nachhaltiges B2B Startup Ökosystem auf. Als Vorreiter in der Gründer:innen Ausbildung setzt die Founders Foundation auf das holistische Founders Foundation Education Model. Beispielhaft werden im B2B Startup Ökosystem Ostwestfalen-Lippe ‚new and old business‘ als Nährboden für Unternehmertum zusammengebracht. In diesem Kontext wurde die Tech Konferenz ‚Hinterland of Things‘ ins Leben gerufen. Die Founders Foundation ist eine gemeinnützige Organisation und stellt die nachhaltige und erfolgreiche Ausbildung der Gründer:innen ins Zentrum ihres Wirkens.