Branchengrößen wie Brigitte Mohn, EdTech-Startups wie Great2Know und Expert:innen wie Gülsah Wilke diskutierten auf der diesjährigen Hinterland of Things Konferenz, wie sich der Arbeitsmarkt verändert, wo qualifizierte Talente zu finden sind und warum Startups und Mittelständler auf eine vielfältige Unternehmenskultur setzen sollten.
Wie qualifizierte Arbeitskräfte ausbilden, erreichen und halten? Der Arbeitsmarkt war Top-Thema auf verschiedenen Panels der diesjährigen Hinterland of Things Konferenz. Founders Foundation CEO Dominik Gross eröffnete die Konferenz mit dem aktuellen Status Quo:
“2023 verlor die deutsche Wirtschaft durch nicht vorhandene Arbeitskräfte umgerechnet 90 Milliarden Euro.“
Auch namhafte Startups stehen vor der Herausforderung, qualifiziertes Personal zu finden und zu halten – und das branchenübergreifend. Laut einer aktuellen Bitcom-Studie werden bis zum Jahr 2040 in Deutschland 663.000 IT-Fachkräfte fehlen. Das spürt der Mittelstand gleichermaßen: In einer Umfrage der Heidelberger Druckmaschinen AG gaben mittelständische Unternehmen an, dass der Fachkräftemangel mittlerweile ein größeres Problem darstellt als hohe Energie- und Rohstoffpreise oder bürokratische Hürden.
Die gute Nachricht: Die Hinterland of Things Konferenz hat gezeigt, was Unternehmen tun können, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Arbeitgeber:innen sollten Haltung zeigen, eine gesunde Unternehmenskultur etablieren, auf technologische Innovation beim Thema Recruiting und auf frühzeitige Aus- und Weiterbildung von Talenten setzen. Was das konkret bedeutet, haben wir hier zusammengefasst.
Es liegt an den Unternehmen: Haltung und Diversität, statt Abschottung
Das Erstarken rechter Parteien bei den Europawahlen nehmen die Panelist:innen der Hinterland of Things Konferenz zum Anlass, um zu mehr Diversität aufzurufen – letztlich auch, weil mehr Diversität und Inklusion die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt steigert. Viele Talente sind international zu finden und brauchen eine vielfältige und inklusive Arbeitskultur. Laut einer Studie der IU Internationalen Hochschule ist Diversität ein entscheidender Faktor in der Gewinnung neuer Mitarbeiter:innen.
Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, ist überzeugt, dass das Unternehmertum letztlich die Haltung der Gesellschaft widerspiegelt und kulturelle Vielfalt stärken kann.
Es geht nicht mehr, nicht politisch zu sein. Bezieht Position, schafft vertraute Räume des Dialogs.
Gülsah Wilke, Founder @ 2hearts & Partner @ DN Capital
Jedes Unternehmen müsse nun Haltung zeigen.
Arbeitgeber:innen dürfen nicht vergessen, dass sie für viele Menschen in Deutschland eine seriöse und vertrauenswürdige Instanz darstellen. Dieses Vertrauen gelte es für die Unternehmen nun richtig zu nutzen, meint auch Zarah Bruhn, Gründerin von Impact-Startup Socialbee und Referentin für soziale Innovationen.
Eure Arbeitnehmer vertrauen eventuell nicht dem Staat und der Demokratie und den klassischen Medien, aber sie vertrauen ihren Arbeitgebern. Also nutzt eure Stimme.
Zarah Bruhn, Founder @ Socialbee
Um die Vielfalt zu erhöhen, sollten sich Startups europaweit austauschen und ihre Talente, Erfahrungen und Entwicklungen teilen, anstatt für sich allein zu arbeiten. Und auch intern lohnt sich kulturelle Unterstützung ab einer gewissen Unternehmensgröße, damit sich internationale Fachkräfte willkommen fühlen. Sozialunternehmerin Gülsah Wilke schlägt vor, ein Unterstützungsnetzwerk innerhalb der Firma aufzubauen. Kolleg:innen könnten neue Mitarbeiter:innen bei bürokratischen oder sprachlichen Fragen unterstützen.
“Es ist immer eine Mischung aus beruflichen und privaten Komponenten, damit man sich willkommen fühlt”, sagt Wilke.
Deutschland habe im Vergleich zu Frankreich oder Großbritannien den Vorteil, einen starken Mittelstand zu haben. Gerade deshalb sei ein Schulterschluss zwischen Startups und Mittelstand notwendig, ergänzt Tina Dreimann vom Impact-VC Better Ventures.
So helfen Social Startups, Mitarbeiter:innen zu finden
Ein gesundes Arbeitsklima ist für die Kandidat:innen genauso wichtig, wie fachliche Qualitäten für die Firmen. Auf der Hinterland of Things Konferenz trafen sich Impact-Startups und HR-Techs, die internationale Talente mit Unternehmen zusammenbringen. Wir stellen drei von ihnen vor:
Das Impact-Startup Socialbee von Gründerin und Beauftragten für soziale Innovationen Zarah Bruhn vermittelt Jobs an geflüchtete Arbeitskräfte. Durch Trainings, Coachings und gezieltes Matchmaking mit Unternehmen werden Geflüchtete optimal auf den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt vorbereitet.
Das bootstrapped Startup TalentRocket von Magdalena Oehl ist eine spezialisierte Plattform für Jurist:innen. Mit maßgeschneiderten Jobangeboten und Karriereberatung hilft TalentRocket, qualifizierte Fachkräfte im juristischen Bereich zu finden.
Die Anerkennung von Social Startups in der Szene zeigt, dass erfolgreiches Recruiting mit sozialer Verantwortung Hand in Hand geht.
Selbstbestimmung und das richtige Mindset, statt einheitlicher Kultur
Unternehmenskultur wird unterschiedlich definiert, klar ist aber, dass ein Obstkorb und flache Hierarchien in der Stellenanzeige längst nicht ausreichen.
Kerstin Hochmüller ist CEO des Antriebstechnologie-Unternehmens Marantec und beschäftigt sich mit Innovationsprozessen in der mittelständischen Industrie. Für sie ist Kultur eine Frage des Umgangs miteinander. “Für mich ist es das Mindset, das verbindet, und nicht der Ansatz, eine einheitliche Kultur zu schaffen”, sagt Hochmüller. In Zeiten von Quiet Quitting und häufigen Jobwechseln ist das gemeinsame Mindset vermutlich wichtiger denn je, damit Arbeitnehmer:innen frei und selbstbestimmt arbeiten können.
Nina Koch, Director Customer Success Continental Europe bei Slack, ist davon überzeugt, dass Mitarbeiter:innen am besten arbeiten, wenn sie “selbstbestimmt arbeiten und sich selbst organisieren”. Sie argumentiert: “33 Prozent der Zeit verwenden Mitarbeiter am Tag darauf, die Arbeit für ihre eigentliche Arbeit zu erledigen.” Empion-Gründerin Annika von Mutuis sieht das ähnlich. Es sei wichtig, in der Arbeit selbst erfolgreich zu sein, dies sei ein Wert für sich.
In Unternehmen liegt noch Potenzial für mehr Effizienz, das durch ein gesundes Arbeitsklima freigesetzt werden kann. Doch oft sind es Hierarchien und Chef:innen, die Arbeitnehmer:innen unzufrieden machen: “Es geht darum, sich gut mit den Vorgesetzten zu verstehen”.
Vermehrt Fokus auf Impact-Startups
Daher gibt es spezielle Impact-VCs, die Startups auf ihrer Mission unterstützen. Der Berliner Female Catalyst Fund Auxxo beispielsweise investiert ausschließlich in Startups mit mindestens einer weiblichen Person im Gründerteam. Ihr KPI ist leicht messbar: „Für uns ist die KPI, ob eine Gründerin an Bord ist oder nicht“, erklärt Auxxo Gründerin Gesa Miczaika und verweist auf Studien, die zeigen, dass Diversität in der Führungsebene zu mehr Diversität auf allen Ebenen führt.
EdTech in Deutschland boomt
Die EdTech-Branche in Deutschland hat großes Potenzial, das Bildungssystem grundlegend zu transformieren. Der NRW EdTech Report von Founders Foundation zeigt, dass sich die Zahl der EdTech-Gründungen seit 2020 stark erhöht hat. Besonders in Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der Neugründungen im Bereich EdTech um beeindruckende 93 Prozent.
Die Entwicklung ist notwendig, denn das Bildungssystem schreitet nur sehr langsam voran: „In 20 Jahren hat sich auf der Welt so viel getan – und in der Schule so wenig.“, bedauert Gründer Fredrik Harkort von Cleverly, einer E-Learning Plattform für Kinder.
Das Besondere an Cleverly: Das EdTech arbeitet mit Allianz Consulting zusammen. Dr. Ninon Latzitis von der Allianz sieht in der gemeinsamen Kooperationen einen klaren Vorteil: „Für uns sind diese Kooperationen ein Win-Win, denn wir investieren in die Kinder, brechen soziale Schichten auf und entlasten die Eltern.“
Dass Unternehmen frühzeitig in Bildung investieren, ist noch nicht flächendeckend üblich. Stefan Peukert hat das Bildungs-Tool Masterplan gegründet und betont die Notwendigkeit, frühzeitig Vorbilder in die Schulen zu schicken, um das Unternehmertum zu fördern. Er wusste damals nicht, dass er eines Tages in der Lage sein würde, selbst zu gründen, erzählt er.
Trotz des Wachstums gibt es Herausforderungen. Der Markt sei umkämpft, und es sei wichtig, eine Nische zu finden, rät Elisa Hertzler, Gründerin der Skill-Management-Plattform Peers Solutions. Sie empfiehlt, die Zusammenarbeit zwischen Forschungsinstituten zu fördern und öffentliche Büros dazu zu ermutigen, Software von Startups zu nutzen.
Weitere Einblicke in die Hinterland of Things Conference erhalten Sie hier.
Für weitere Informationen und Rückfragen:
Anna-Luisa Korte, Director Brand & Content Founders Foundation gGmbH, anna@foundersfoundation.de
Über die Founders Foundation: Die gemeinnützige Founders Foundation gGmbH bildet die nächste Generation erfolgreicher Gründer:innen aus und baut im Herzen des deutschen Mittelstands ein nachhaltiges B2B Startup Ökosystem auf. Als Vorreiter in der Gründer:innen Ausbildung setzt die Founders Foundation auf das holistische Founders Foundation Education Model. Beispielhaft werden im B2B Startup Ökosystem Ostwestfalen-Lippe ‚new and old business‘ als Nährboden für Unternehmertum zusammengebracht. In diesem Kontext wurde die Tech Konferenz ‚Hinterland of Things‘ ins Leben gerufen. Die Founders Foundation ist eine gemeinnützige Organisation und stellt die nachhaltige und erfolgreiche Ausbildung der Gründer:innen ins Zentrum ihres Wirkens.