Female Founder – wir alle sind mit Sicherheit schon das ein oder andere Mal über diesen Begriff gestolpert. Es herrscht keine Einigkeit darüber, ob es zielführend ist, Gründerinnen im Englischen verbal von Gründern abzugrenzen und aus dem einheitlichen Founder eine Female Founder zu machen. Was spricht dagegen, was dafür? Wir haben zwei Impuls Essays für Dich vorbereitet, um die Kontroverse aufzugreifen.
Female Founder – YES!
Female Founder – NO!
Auch, wenn sich die letzten Jahre schon vieles zum positiven geändert hat und die Frauenanteile in Führungsgremien und leitenden Positionen leicht ansteigen, haben wir lange noch nicht das Ziel erreicht, dass wir gemeinsam anstreben sollten: Vollkommene Gender Gleichberechtigung in allen Bereichen.
Ob Gender Pay Gap, Gender Data Gap, Gender Funding Gap, Gender bias oder auch unbezahlte Care-Arbeit, die zum größten Teil von Frauen übernommen wird: Die Zahlen und Ergebnisse sind alarmierend. Und Gleichberechtigung ist kein Selbstläufer. Es muss auf die Missstände aufmerksam gemacht werden, wieder und wieder, um die Gesellschaft dazu zu bewegen, das eigene Verhalten zu ändern und konservative Stereotype abzulegen.
2021 sind in einer Stichprobe von 186 börsennotierten Unternehmen 13 % der Vorstandsfunktionen von Frauen besetzt. Das macht einen Anstieg von nur 2,3 % zum Vorjahr aus. Und darüber hinaus gaben 62 der 186 börsennotierten Unternehmen an, dass sie derzeit keine Pläne haben, den Frauenanteil in ihren Vorständen zu erhöhen (Studie “Women in the boardroom”, 2022).
Führungsgremien sind männerdominiert und wir befinden uns nur in Schrittgeschwindigkeit auf dem Weg dahin, das zu ändern.
Es ist wichtig, dieses Unverhältnis zu benennen, um es in den Fokus zu rücken. Etwas, über das man nicht spricht, gerät leicht in Vergessenheit und Sprache beeinflusst und formt unsere soziale Wirklichkeit. Radikaler formuliert es Heidrun Deborah Kämper, Philologin und Politologin an der Universität Mannheim: „Umgekehrt können wir auch sagen, wenn nie über etwas gesprochen wird, dann existiert es nicht in der sozialen Welt.“
Und das betrifft auch den Bereich der Startup Gründungen. Nur 17,7 % der Gründer:innen sind weiblich (Deutscher Startup Monitor 2021). Die Zahlen zum Investitionsvolumen sind noch schockierender: Nur 2 % des Risikokapitals gingen in Europa seit 2016 an Startups, die von Frauen gegründet wurden und geführt werden (Funding in the CEE Region – Report 2021).
Was das genau heißt? Dass die meist männlichen Investoren nicht in die Geschäftsmodelle von Frauen investieren und vertrauen und dort scheinbar ein höheres Risiko vermuten.
Es herrscht das veraltete und praktisch längst widerlegte Stereotyp vom starken, unabhängigen Mann, einem wahren Homo Oeconomicus, das mit dem Stereotyp der Frau nicht kompatibel ist. Es ist also leider noch nicht normal, dass Frauen gründen und als Gründerinnen genauso ernst genommen und unterstützt werden, wie ihre männlichen Kollegen.
Daher ist es wichtig, Gründerinnen in den Fokus zu stellen und sie als Female Founder zu positionieren. Zum einen, um all diejenigen Lügen zu strafen, die immer noch veraltete Stereotype leben. Zum anderen, um allen gründungsinteressierten Frauen zu zeigen, dass es möglich ist, die “gläserne Decke” zu durchbrechen. Und wenn das Verhältnis ausgeglichen ist, können Founder hoffentlich einfach Founder sein.
Eine positive Entwicklung in den letzten Jahren ist klar zu erkennen – Einerseits in Bezug auf die Frauenanteile in Führungspositionen oder unter Gründer:innen, andererseits ändert sich auch das Tempo, in dem wir Fortschritte Richtung Gleichberechtigung machen. Bei der aktuellen Zuwachsrate des Frauenanteils in Führungsgremien hätten wir 2041 ein ausgewogenes Verhältnis. Aber gegenüber der Prognose im Jahr 2019 hat sich diese Zeitspanne deutlich verkürzt: da war das projizierte Datum noch 2052. Man sieht, es tut sich was.
Natürlich ist Gender Gleichberechtigung kein Selbstläufer, aber wir haben den richtigen Weg eingeschlagen und gehen ihn wie man sieht immer schneller. Doch mit einigen Maßnahmen werden viele Frauen in eine Rolle gedrängt, die sie sich selbst nicht ausgesucht haben und in der sie sich nicht wohlfühlen.
Und diese Rolle kann als Opferrolle bezeichnet werden, aus der einige Frauen nur schwer wieder rauskommen.
Der Zusatz “Female” wird beispielsweise häufig mit mehr Sympathie in Zusammenhang gebracht und auch ein bisschen belächelt, was den Ernst der Sache schmälert. Das führt dazu, dass Gründerinnen nicht nur für ihren Erfolg gefeiert werden, sondern für ihren Erfolg, den sie TROTZ ihres Geschlechts erreicht haben. Das schmälert diesen Erfolg und setzt ihn nicht gleich zu dem ihrer männlichen Kollegen. Findest Du das fair?
Frauenquoten zum Beispiel werden seit Jahren stark diskutiert und auch viel kritisiert. Frauen, die es in die Führungsgremien geschafft haben, werden vielleicht immer einen unausgesprochenen Vorwurf wahrnehmen und im Hinterkopf haben, dass sie nur aufgrund der Frauenquote und ihres Geschlechts erfolgreich sind. Zudem kommt es leider auch immer noch häufig vor, dass Frauen nach Äußerlichkeiten bewertet und entsprechend behandelt werden. Und eine extra Kategorisierung oder Abhebung von Frauen in ihren Positionen ist nichts, was diese Zustände ändert.
Diese Abhebung wird auch durch die Bezeichnung Female Founder stabilisiert. Es ist doch ein Widerspruch in sich, Gleichheit durch Differenzierungen schaffen zu wollen. Ein Founder ist Founder, weil er oder sie erfolgreich gegründet hat, da sollte man keine Unterschiede machen.
Wie in anderen Bereichen wird auch hier der Frauenanteil steigen – auch, weil es bereits entsprechende Förderprogramme und Stiftungen gibt, die Gründerinnen unterstützen.
Im Deutschen wird aus einem Gründer aufgrund unserer Grammatik eine Gründerin. Aber ist es notwendig, das englische Founder gezielt durch eine Gender Kategorisierung zu erweitern und so von den anderen Founders abzugrenzen? Das klingt ganz nach dem Konzept der Frauenquote – die mit Sicherheit gut gemeint ist. Aber ob dieses ganze Kategorisieren auch zielführend ist, ist eine andere Frage. Need to be discussed!
Bis dahin sollte jede Gründerin selbst entscheiden, wie sie sich positionieren möchte und nicht pauschal eine Bezeichnung aufgedrückt bekommen.